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Russland

Rechtshilfe in Strafsachen ausgesetzt, aber Beschlagnahme beibehalten

(Übersetzt von DeepL)

In einem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil 1C_477/2022 vom 30. Januar 2023 entscheidet das BGer über die Aussetzung des internationalen Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen und die Aufrechterhaltung der im Juni 2020 in der Schweiz angeordneten Geldbeschlagnahme in Ausführung eines von der Russischen Föderation im Januar 2020 gestellten Ersuchens.

Das BGer tritt auf die Beschwerde ein, weil die allgemeine Frage zu beantworten ist, was mit den Rechtshilfeersuchen der Russischen Föderation und insbesondere mit der Aufrechterhaltung der in Ausführung dieser Ersuchen angeordneten Beschlagnahmungen vor der Aussetzung der Rechtshilfe mit diesem Staat zu geschehen hat. Die Frage ist besonders brisant, da in der Schweiz derzeit rund 350 Mio. CHF in Ausführung verschiedener Ersuchen der Russischen Föderation blockiert sind. Es handelt sich somit um eine Grundsatzfrage.

Das BGer erinnert daran, dass die Russische Föderation, die früher zu den Staaten gehörte, denen Rechtshilfe gegen vorherige Zusicherungen gewährt werden konnte, „nunmehr zu den Staaten gehört, die diese nicht mehr erhalten können“ : Die Russische Föderation ist nicht mehr Mitglied des Europarats oder Vertragspartei der EMRK, bleibt jedoch durch das Europäische Rechtshilfeübereinkommen mit der Schweiz verbunden. Er fügt hinzu, dass die vorliegende Situation von der Situation zu unterscheiden ist, in der sich die Rechtshilfe nur auf die Übermittlung der Bankunterlagen bezieht, eine Situation, in der die Rechtshilfe „schlicht und einfach verweigert“ werden kann und in der sie erneut erbeten werden könnte. Wenn Gelder beschlagnahmt werden, würde die Verweigerung der Rechtshilfe hingegen die Aufhebung der Arreste bedeuten, was zur Folge hat, dass die Vermögenswerte „möglicherweise nicht mehr verfügbar sind, wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein neues Ersuchen gestellt wird“.

Das BGer führt aus, dass, da die Beschlagnahme ausgesprochen wurde, als die Rechtshilfe noch möglich war, die Bedingungen von Art. 18 Abs. 1 IRSG erfüllt waren, und entscheidet, dass die Situation mit dem Fall vergleichbar ist, in dem bis zur Vervollständigung des Ersuchens (Art. 80o IRSG) oder der Erbringung internationaler Garantien (Art. 80p IRSG) durch die ersuchende Behörde die vorläufigen Massnahmen aufrechterhalten werden (Art. 28 Abs. 6 IRSG).

Darüber hinaus weist das BGer noch darauf hin, dass es möglich ist, dass im Rahmen eines parallel in der Schweiz geführten Strafverfahrens „in Kürze ein strafrechtlicher Arrest auf die Vermögenswerte verhängt wird“.

Schliesslich wies das Bundesgericht das BJ an, „sich regelmässig über die Entwicklung der Situation zu informieren und den Beschwerdehof darüber in Kenntnis zu setzen, damit dieser über eine allfällige Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden kann“, um die Verhältnismässigkeit der Sicherungsmassnahme zu gewährleisten.

Vorab sei gesagt, dass wir nicht auf das Argument der möglichen künftigen strafrechtlichen Beschlagnahme eingehen werden, da eine im Rahmen der Rechtshilfe verhängte Sicherungsmaßnahme nicht dazu dienen kann, eine künftige Maßnahme zu sichern, die in einem nationalen Strafverfahren angeordnet wird.

Die Sicherungsbeschlagnahme ist eine Einschränkung des Grundrechts auf Eigentum (Art. 26 Abs. 1 BV), die im Hinblick auf Art. 36 BV analysiert werden muss. Die erste Voraussetzung, die diese Bestimmung aufstellt, ist das Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV). Die Beschlagnahme von Geldern im Rahmen der Rechtshilfe ist in Art. 18 Abs. 1 IRSG vorgesehen, wonach eine solche Maßnahme insbesondere dann möglich ist, wenn „ein Verfahren nach [dem IRSG] nicht offensichtlich unzulässig oder unzweckmäßig erscheint“. Diese Voraussetzung war zum Zeitpunkt der Anordnung der Beschlagnahme erfüllt. Die Russische Föderation wurde von der zweiten in die dritte Staatengruppe „herabgestuft“, ohne dass die Dauer dieser Herabstufung bestimmt werden konnte. Die in Art. 18 Abs. 1 IRSG aufgestellte Bedingung ist nun nicht mehr erfüllt. Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen eine solche Herabstufung auf laufende Rechtshilfeverfahren hat.

Gemäss den vom BGer erwähnten Presseankündigungen des BJ und der BA ist die Rechtshilfe mit der Russischen Föderation „aufgrund der Situation in der Ukraine bis auf Weiteres suspendiert“. Das BStGer entschied seinerseits, dass die Rechtshilfe zu verweigern sei (RR.2021.91, RR.2021.84 und RR.2021.239 sowie Pressemitteilung vom 18. Mai 2022). Da eine Verweigerung der Rechtshilfe ipso facto die Aufhebung der Beschlagnahme nach sich zieht, hat sich das BStGer im hier angefochtenen Urteil in diesem Sinne geäussert (RR.2021.76). Das BGer entscheidet jedoch, dass die Verweigerung der Rechtshilfe, die angemessen ist, wenn es um die Herausgabe von Beweismitteln geht, nicht angemessen ist, wenn Gelder beschlagnahmt wurden : In diesem Fall muss die Rechtshilfe ausgesetzt und nicht verweigert werden.

Diese Lösung entspricht nicht derjenigen im Bereich der Auslieferung, die in einem 2022 anhängigen Fall abgelehnt wurde (vgl. RR.2022.73), obwohl nur die Aussetzung des Verfahrens und die vorläufige Maßnahme, die in der Aufrechterhaltung der Haft des Auszuliefernden besteht, gewährleisten können, dass die Auslieferung, die dem EÜGD unterliegt, durch das die Schweiz mit der Russischen Föderation verbunden ist, in Zukunft vollzogen werden kann.

Sie steht auch nicht im Einklang mit der Amtshilfe in Steuersachen, wo das Bundesgericht die Verfahren zum Informationsaustausch auf Ersuchen ausgesetzt hat, obwohl sie nur die Herausgabe von Dokumenten betreffen (allerdings in Angleichung an die Praxis beim automatischen Informationsaustausch, 2C_219/2022. Zu diesem Thema siehe F. Bonzanigo, Crimen, 4. August 2022), was später vom Bundesrat in einer Mitteilung vom 16. September 2022 bestätigt wurde.

Letztlich stellt sich die Frage, wie lange die Beschlagnahme als verhältnismäßig angesehen wird und vor allem, was mit künftigen Beschlagnahmeanträgen der Russischen Föderation geschehen wird, insbesondere wenn sich die Lage in der Ukraine allmählich verbessern sollte, ohne dass eine Neueinstufung (noch) möglich ist.