Skip to main content

Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen

Auf dem Weg zu einer günstigeren Auslegung der Verteidigungsrechte von Banken ?

(Übersetzt von DeepL)

In dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil 4A_389/2022 vom 14. März 2023 befasst sich das Bundesgericht mit einem Rechtshilfeersuchen in Zivilsachen, das darauf abzielt, dass eine Bank Dokumente im Zusammenhang mit einem Kunden herausgibt.

2012 eröffnet die Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Generaldirektor einer staatlichen Institution in Y wegen Geldwäscherei und ungetreuer Geschäftsbesorgung. Da das BStGer der Ansicht ist, dass ein Risiko besteht, dass die im Strafverfahren erlangten Dokumente an den Staat Y weitergegeben werden, beschränkt es den Aktenzugang der Institution, die die Akte in den Räumlichkeiten der BA einsehen, aber keine Kopie anfertigen konnte.

Im Jahr 2019 wird in Staat Y ein Strafverfahren gegen den Direktor eingeleitet. In diesem Rahmen stellt Y ein Rechtshilfeersuchen in Strafsachen, um die im oben genannten Schweizer Strafverfahren gesammelten Bankunterlagen zu erhalten.

Ebenfalls 2019 reicht die Einrichtung im Vereinigten Königreich eine Zivilklage ein, die sich unter anderem gegen den Direktor und eine Schweizer Bank richtet, bei der der Direktor ein Konto unterhielt. In diesem Zusammenhang stellt das englische Gericht ein auf das Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HBewUe70) gestütztes Rechtshilfeersuchen an die Schweiz, das darauf abzielt, dass die Bank Dokumente vorlegt, die sich auf das Bankkonto des Direktors beziehen. Ziel dieses Antrags ist es, der Bank die Möglichkeit zu geben, sich im Vereinigten Königreich zu verteidigen, ohne das Bankgeheimnis zu verletzen. Während das erstinstanzliche Gericht in Genf der Ausführung des Rechtshilfeersuchens zustimmt, entscheidet der Gerichtshof anders und weist es auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 1 Bst. b HBewUe70 ab.

Auf die Beschwerde der Bank hin analysiert das Bundesgericht die Tragweite von Art. 12 Abs. 1 Bst. b HBewUe70 : Nach dem Wortlaut der Bestimmung kann die Ausführung eines Rechtshilfeersuchens, das den formalen Anforderungen des HBewUe70 entspricht, nur aus den in Art. 12 HBewUe70 abschliessend aufgezählten Gründen verweigert werden.

Darüber hinaus zeigt die wörtliche Auslegung von Art. 12 HBewUe70 (sowie insbesondere der Kontext, der Zweck und der Gegenstand des HBewUe70), dass für die Beurteilung, ob das Ersuchen die Souveränität oder die Sicherheit des ersuchten Staates beeinträchtigen könnte, die Ausführung des Ersuchens selbst und nicht sein Zweck ausschlaggebend ist.

Umgekehrt lässt sich aus dem Wortlaut von Art. 12 HBewUe70 nicht ableiten, dass der Richter des ersuchten Staates prüfen sollte, zu welchen anderen Zwecken – als denen des Rechtshilfeersuchens – die in diesem Rahmen gesammelten Beweismittel verwendet werden könnten. Beispielsweise besteht hier das Risiko, dass die erstellten Dokumente im Strafverfahren des Staates Y verwendet werden, nachdem sie der Einrichtung im englischen Zivilverfahren übergeben wurden.

Daher müssen die Ausnahmen, die es dem ersuchten Staat erlauben, ein Rechtshilfeersuchen abzulehnen (und somit die Begriffe der Gefährdung der Souveränität und/oder der Sicherheit in Art. 12 Abs. 1 Bst. b HBewUe70), restriktiv ausgelegt werden.

Unser Obergericht bezieht sich dann auf seinen BGE 142 III 116 (vgl. cdbf.ch/989/), in dem es befand, dass ein Rechtshilfeersuchen in der Schweiz nicht ausgeführt werden kann, wenn die Person, über die Informationen benötigt wurden, nicht vor der Übermittlung des Ersuchens vom ausländischen Richter angehört wurde, da eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs einen Verstoß gegen die Grundprinzipien des schweizerischen Zivilprozessrechts darstellt.

Das Bundesgericht präzisiert hier seine Argumentation und führt aus, dass eine Verletzung der Grundprinzipien des schweizerischen Zivilprozessrechts die Souveränität oder Sicherheit der Schweiz gemäss Art. 12 Abs. 1 Bst. b HBewUe70 nur dann beeinträchtigen kann, wenn es sich um eine Verletzung der von der internationalen öffentlichen Ordnung anerkannten grundlegenden Verfahrensprinzipien handelt, zu denen auch die Achtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der von der Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens betroffenen Personen gehört.

In casu findet das Bundesgericht, dass nicht nachgewiesen wurde, dass die Ausführung des Ersuchens per se geeignet wäre, die Souveränität oder die Sicherheit der Schweiz zu beeinträchtigen oder mit dem internationalen Ordre public unvereinbar wäre.

Darüber hinaus kann nach Ansicht unseres Hohen Gerichtshofs dem Gerichtshof nicht gefolgt werden, wenn er feststellt, dass die Ablehnung des Antrags mit den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs begründet werden könnte : Selbst wenn diese Grundsätze Teil des internationalen Ordre Public wären, könnte die Ausführung des Antrags in casu nicht als missbräuchlich oder bösgläubig eingestuft werden.

Insbesondere kann die These, dass die Ausführung des Rechtshilfeersuchens auf eine Umgehung des in der Schweiz anhängigen Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen hinauslaufen würde, nicht akzeptiert werden, denn :

die Rechtshilfeverfahren in Strafsachen und in Zivilsachen unterschiedlicher Natur sind, nicht notwendigerweise dieselben Parteien betreffen und die ersuchenden Staaten verschieden sind ;
das von den beiden Staaten verfolgte Ziel ist unterschiedlich : Während der erste Staat im Rahmen eines in seinem Hoheitsgebiet geführten Strafverfahrens Beweise sammeln möchte, möchte der zweite Staat einer Partei, der Bank, die Möglichkeit geben, die für die Geltendmachung ihrer Rechte in einem Zivilprozess erforderlichen Beweise vorzulegen, ohne das Bankgeheimnis zu verletzen.

Die Verweigerung der Ausführung des Rechtshilfeersuchens würde daher in casu eine unzulässige Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte der Bank bedeuten, weshalb das Ersuchen ausgeführt werden muss.

Mit diesem Urteil ändert das Bundesgericht seine frühere Rechtsprechung und legt die Gründe für die Verweigerung der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens gemäss Art. 12 Abs. 1 Bst. b HBewUe70 restriktiver aus. Ein solcher Ansatz ist inter alia insofern zu begrüssen, als das HBewUe70 der einzige Mechanismus ist, der es einer Bank erlaubt, im Ausland Dokumente vorzulegen, die unter das Bankgeheimnis fallen (wenn der Schweizer Richter im Rahmen des nationalen Verfahrens, das zur Ausführung des Rechtshilfeersuchens eingeleitet wurde, das Bankgeheimnis aufhebt, vgl. Art. 163 und 166 ZPO).

Es sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof im Rahmen des englischen Verfahrens kürzlich über den Antrag der Erben des verstorbenen Generaldirektors entschieden hat, die Vorlage jeglicher Dokumente aus der Schweiz zu verweigern. Der Gerichtshof lehnte diesen Antrag ab, da er unter anderem der Ansicht war, dass die Vorlage keine konkrete Gefahr einer Verletzung des Schweizer Rechts mit sich bringe. Es ließ jedoch offen, ob der Zugang zu den vorgelegten Dokumenten eingeschränkt werden sollte, da das BStGer befürchtete, dass die im Schweizer Verfahren erlangten Dokumente an Y. weitergegeben werden könnten.