Siegelung
Geschäfts- und Bankgeheimnis reichen nicht (mehr) aus

Katia Villard
(Übersetzt von DeepL)
In unserem letzten Kommentar zu einem Urteil des Bundesgerichts in Sachen Versiegelung (7B_313/2024, zur Veröffentlichung bestimmt) wiesen wir darauf hin, dass „das Bankgeheimnis keinen Grund mehr für eine Versiegelung darstellt, wenn es von einem Dritten geltend gemacht wird, d. h. einer Person, die im Strafverfahren nicht benachrichtigt wurde“ (Villard, cdbf.ch/1383). Nach dem zur Veröffentlichung bestimmten und hier besprochenen Urteil 7B_976/2024 muss der zweite Teil der Aussage gestrichen werden : Das Bankgeheimnis ist kein Versiegelungsgrund mehr.
Das Urteil 7B_976/2024 hatte zwar nicht den Bankenbereich zum Hintergrund, doch die darin enthaltenen Klarstellungen gelten allgemein für Versiegelungsverfahren und alle so genannten „weichen“ Geheimnisse (Handels-, Geschäfts- und Bankgeheimnis).
Darüber hinaus enthält er interessante Überlegungen zu den Verbindungen zwischen der Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung und dem Versiegelungsverfahren.
Die Genfer Staatsanwaltschaft führt ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten wegen Förderung der Prostitution und schweren Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. In diesem Rahmen beschlagnahmt sie bei einer Hausdurchsuchung in der Wohnung der Ex-Ehefrau und der Tochter des Beschuldigten zwei Mobiltelefone, die dem Beschuldigten gehören. Am 9. Juli 2024 wird eine Beschlagnahmeanordnung erlassen.
Am 11. Juli 2024 beantragt der Beschuldigte die Versiegelung der Telefone und beruft sich auf den fehlenden potenziellen Nutzen der darin enthaltenen Daten für die Ermittlungen, die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie den Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses, des Geschäftsgeheimnisses und der Privatsphäre. Die Staatsanwaltschaft gibt dem Antrag statt und wendet sich an das Zwangsmassnahmengericht, um die Aufhebung der Versiegelung zu erwirken.
Parallel dazu legt der Beschuldigte Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung ein. Die Beschwerdekammer erklärt diesen für unzulässig, da das Siegelverfahren noch anhängig sei und der Angeklagte alle seine Argumente vorbringen könne.
Am 9. August 2024 ordnet das Zwangsmassnahmengericht die Aufhebung der Versiegelung an. Es lehnt es ab, auf die Vorwürfe des Beschuldigten bezüglich der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips und der mangelnden Relevanz der beschlagnahmten Unterlagen einzutreten. Diese würden seit der Revision der StPO, die im Januar 2024 in Kraft getreten ist, keinen Grund mehr für eine Versiegelung darstellen.
Der Angeklagte beschwert sich beim Bundesgericht gegen die beiden oben genannten Entscheidungen. Das Obergericht verbindet die Fälle.
Es stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers fest, dessen Rügen bezüglich des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und der mangelnden Relevanz der beschlagnahmten Daten von keinem der kantonalen Gerichte behandelt wurden. Das Bundesgericht führt aus, dass ab dem Zeitpunkt, an dem der Beschuldigte Versiegelungsgründe – in diesem Fall das Anwaltsgeheimnis und den Schutz der Privatsphäre – geltend macht, die gegen die Zwangsmassnahme als solche gerichteten Rügen im Versiegelungsverfahren akzessorisch geltend gemacht werden können. Sie müssen auch dann behandelt werden, wenn die behaupteten Versiegelungsgründe (zu Recht) in der Sache abgewiesen werden. Liegen hingegen keine Versiegelungsgründe vor, muss die Verletzung der allgemeinen Voraussetzungen für die Verhängung einer Zwangsmaßnahme im Rahmen einer Beschwerde gegen die Durchsuchungs- und/oder Beschlagnahmeanordnung geltend gemacht werden.
Von den Versiegelungsgründen schloss das Bundesgericht in seinem Urteil die sogenannten „weichen“ Geheimnisse aus, die gemässArt. 173 Abs. 2 StPO nur dann eine Befreiung von der Aussagepflicht vor der Strafbehörde rechtfertigen, wenn ihr Inhaber glaubhaft macht, dass das Interesse an der Wahrung des Geheimnisses in casu das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt. Dazu gehören das Bankgeheimnis und das Geschäftsgeheimnis. Das Obergericht präzisiert hier sein Urteil 7B_313/2024 dahingehend, dass diese Geheimnisse unter dem neuen Recht keinen Versiegelungsgrund mehr darstellen, unabhängig vom prozessualen Status – Beschuldigter oder Nichtbeschuldigter – der Person, die sie geltend macht. Das Bundesgericht begründet seine Position mit der Feststellung, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Revision der Strafprozessordnung sowohl die Gründe für den Einspruch gegen die Beschlagnahme nachArt. 264 Abs. 1 StPO als auch die Gründe für die Versiegelung hätte einschränken wollen. Aus den parlamentarischen Beratungen ergebe sich zudem nicht, dass zwischen dem Beschuldigten und einem Dritten, der der Zwangsmassnahme unterworfen ist, in Bezug auf den Geheimnisschutz eine unterschiedliche Behandlung vorgenommen werden müsse.
Die Argumentation des Bundesgerichts überzeugt uns nicht. Es ist zwar richtig, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Revision der StPO die Gründe für die Versiegelung einschränken wollte, indem er sie den Gründen für den Einspruch gegen die Beschlagnahme angleichen wollte, doch war nicht beabsichtigt, diese Gründe einzuschränken. Art. 264 Abs. 1 StPO wurde im Übrigen nicht geändert. In den Parlamentsdebatten wurden Geschäftsgeheimnisse nicht ausdrücklich von den Gründen für die Beschlagnahme ausgeschlossen. Eine Einschränkung der Gründe für eine Beschränkung auf die Beschlagnahme bzw. eine Versiegelung in diesem Sinne erfordert angesichts des Wortlauts des Gesetzes einen gesetzgeberischen Eingriff. Was das Argument der Gleichbehandlung zwischen dem Beschuldigten und dem von der Zwangsmaßnahme betroffenen Dritten betrifft, so spricht es vor allem dafür, dass der Dritte ebenfalls die Möglichkeit hat, den Schutz von Geheimnissen geltend zu machen.