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Rechenschaftspflicht

Der zweite Akt des Rechts auf Information

(Übersetzt von DeepL)

Welche Informationen kann eine Kundin von ihrer Bank in einem Streitfall über einen Margin Call erhalten ? Das Bundesgericht hatte sich kürzlich im Urteil 4A_599/2019 (kommentiert in cdbf.ch/1190/) mit dieser Frage befasst. Nun sieht es sich im Urteil 4A_436/2020, das denselben Sachverhaltskomplex betrifft, erneut mit dieser Frage konfrontiert.

Im Oktober 2012 eröffnete eine libanesische Gesellschaft ein Konto bei einer Schweizer Bank. Die Kundin investiert in „hausgemachte“ OTC-Optionen und strukturierte Produkte, die von der Bank, die auch als Gegenpartei fungiert, konzipiert und ausgegeben werden.

Nachdem die SNB am 15. Januar 2015 den Mindestkurs aufgegeben hatte, ersuchte die Bank um einen Margin Call. Da die Kundin nicht darauf eingeht, löst die Bank alle Positionen auf. Die Kundin weist einen negativen Saldo von EUR 430’062 aus.

Die Bank klagt vor dem Genfer Gericht erster Instanz auf Zahlung. Die Kundin erhebt Widerklage und stellt vorab einen auf Art. 400 OR gestützten Antrag auf Rechnungslegung. In den Anträgen der Kundin werden die erforderlichen Unterlagen in zwanzig Punkten detailliert aufgeführt. Die Rechnungslegung bezieht sich auf zwei verschiedene Zeiträume :

Ein erster Zeitraum ist der Zeitraum vor dem Margin Call. Die Kundin möchte insbesondere prüfen, ob die von der Bank erhobenen Kosten und Margen angemessen sind oder ob es sich nicht um versteckte Provisionen handelt.
Der zweite Zeitraum ist der Zeitraum nach dem Margin Call. Der Kunde möchte vor allem prüfen, wie die Bank seine Optionen bewertet hat und wie sie glattgestellt wurden.

Nachdem er von den Genfer Gerichten abgewiesen wurde, ruft er das Bundesgericht an, von dem im Folgenden nur einige Erwägungen ausgeführt werden. Insbesondere wird die Problematik der Retrozessionen im Kommentar cbdf.ch/1237 spezifisch behandelt.

In Bezug auf die Zeit vor dem Margin Call betont das Bundesgericht, dass die Kundin über zwei Jahre lang, bis zum Margin Call, keinerlei Einwände oder Vorbehalte zu den von der Bank auf der Grundlage ihrer Anweisungen ausgeführten Transaktionen geäussert hat. Erst als es zu einem Rechtsstreit mit der Bank kam, änderte die Kundin ihre Haltung und wollte die gesamte Banktätigkeit seit Beginn der Vertragsbeziehung kontrollieren. Eine solche Forderung nach Rechnungslegung ist missbräuchlich (Art. 2 Abs. 2 ZGB).

Daher ist das Bundesgericht der Ansicht, dass die Kundin keinen Anspruch auf die geforderten Unterlagen für die Zeit vor dem Margin Call hat.

In einem zweiten Schritt prüft das Bundesgericht, ob die Kundin ein Recht darauf hat, die Identität der Bankmitarbeiter zu erfahren, deren Namen auf bestimmten von der Bank übermittelten Unterlagen geschwärzt wurden.

Art. 328b OR sieht insbesondere vor, dass der Arbeitgeber Daten über den Arbeitnehmer nur insoweit verarbeiten darf, als diese Daten die Eignung des Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis betreffen oder für die Erfüllung des Arbeitsvertrags erforderlich sind. Wenn der Arbeitgeber andere Daten über den Arbeitnehmer bearbeitet, muss diese Bearbeitung durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt sein (Art. 13 Abs. 1 DSG).

Im vorliegenden Fall ist die Bekanntgabe der Identität der Angestellten an die Kundin keine Datenbearbeitung, die unter Art. 328b OR fällt. Für eine rechtmässige Weitergabe ist daher ein Rechtfertigungsgrund erforderlich, z.B. das überwiegende Interesse eines Dritten.

Nach Ansicht des Bundesgerichts verfügt die Kundin jedoch nicht über ein überwiegendes Interesse, das die Weitergabe der Daten rechtfertigen würde. Denn die Kenntnis der Namen der Angestellten ist für sie nicht notwendig, um zu überprüfen, ob die Bank ihre vertraglichen Verpflichtungen eingehalten hat. Die Bank muss ihrer Kundin somit nicht die Identität ihrer Mitarbeiter offenbaren.

In einem letzten Schritt prüft das Bundesgericht, ob die Kundin über die notwendigen Informationen verfügt, um die Aktivitäten der Bank auf ihrem Konto ab dem Margin Call zu kontrollieren. Die Kundin möchte insbesondere Zugang zu allen Faktoren haben, mit denen sie ihre Optionen bewerten kann, einschliesslich der impliziten Volatilität.

Das Bundesgericht geht hier auf eine für Anfänger etwas technische Erklärung ein. Da es für OTC-Optionen keinen Marktpreis gibt, beruft sich die Bank auf das mathematische Modell von Black & Scholes. Nach dieser Methode sind die entscheidenden Parameter zur Berechnung des Preises einer Option der aktuelle Preis des Basiswerts (in diesem Fall der Wechselkurs), der Ausübungspreis der Option, die verbleibende Zeit bis zur Fälligkeit der Option, der risikofreie Zinssatz und die Volatilität des Basiswerts. Von diesen Elementen ist die Volatilität das einzige, das nicht direkt feststellbar ist, sondern eine Bewertung voraussetzt.

Im vorliegenden Fall entsprach der Preis der Optionen, die zurückgekauft werden mussten, um die offenen Positionen zu neutralisieren, aufgrund der Aufgabe des Mindestkurses im Wesentlichen ihrem inneren Wert, so dass die implizite Volatilität, der entscheidende Parameter des Zeitwerts, ein nahezu bedeutungsloser Faktor war. Die Kundin hatte somit kein Interesse daran, diese Informationen zu erhalten, da sie bereits über alle Informationen verfügte, die für die Bewertung der strittigen Optionen erforderlich waren.

Daher weist das Bundesgericht, wie im oben erwähnten Urteil 4A_599/2019, die Beschwerde ab.

Die Argumentation des Bundesgerichts bezüglich des Zugangs zur Identität von Angestellten ist zu begrüssen. Insbesondere steht sie im Gegensatz zur Auffassung des Genfer Gerichtshofs in seinem Urteil ACJC/1515/2019, das dem oben genannten Urteil 4A_599/2019 zugrunde lag. Der Gerichtshof hatte nämlich festgestellt, dass die Pflicht der Bank, umfassend über ihre Tätigkeit Rechenschaft abzulegen, auch die Auskunft über die Angestellten umfasst, die im Zusammenhang mit dem Bankkonto des Kunden gehandelt haben, auch wenn es letztlich der Arbeitgeber ist, der für die Tätigkeit seiner Hilfskräfte haftet.

Aufgrund des hier besprochenen Urteils hat der Persönlichkeitsschutz des Angestellten nun Vorrang vor dem Interesse des Auftraggebers, die Identität des Angestellten zu erfahren. Unserer Ansicht nach könnte jedoch unter bestimmten Umständen eine Ausnahme zugelassen werden, z. B. wenn der Arbeitnehmer eine rechtswidrige oder sogar strafrechtliche Handlung gegen den Auftraggeber begangen hat.