Skip to main content

Bankgeheimnis

Ein durch einen Anwalt begangener Verstoss durch Eventualvorsatz

(Übersetzt von DeepL)

In einem Urteil 6B_899/2021 vom 26. Januar 2023, das im Anschluss an eine öffentliche Verhandlung erging, aber nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, hält das Bundesgericht fest, dass ein Anwalt, der in einem Zivilverfahren ein sechsseitiges Dokument mit zahlreichen12 dem Bankgeheimnis unterliegenden Informationen vorlegt, ohne es vollständig zur Kenntnis genommen zu haben, eine Verletzung des Bankgeheimnisses (Art. 47 Abs. 1 Bst. c BankG) durch Eventualvorsatz (Art. 12 Abs. 2 S. 2 StGB) begeht.

In einem Arbeitsgerichtsverfahren stehen sich ein Bankinstitut und einer seiner ehemaligen Angestellten gegenüber. Um eine seiner Behauptungen zu beweisen, übergibt der Arbeitnehmer seinem Rechtsbeistand ein Dokument mit dem Titel „US-Exit-Report“. Dieses Dokument umfasst sechs Seiten. Der Anwalt geht davon aus, dass sein Mandant etwaige Daten, die unter das Bankgeheimnis fallen würden, bereits geschwärzt hat, und legt das Dokument vor, ohne es vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Zu Unrecht : Die Seiten 4 und 5 enthalten tatsächlich Informationen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, insbesondere Namen, Kontonummern und Kontostände von Kunden, und der Mandant hat sie nicht geschwärzt.

Der Mandant hatte in seiner Eigenschaft als Angestellter eines Bankinstituts Kenntnis vom „US-Exit-Report“. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist er weiterhin an das Bankgeheimnis gebunden (Art. 47 Abs. 4 BankG). Indem er das Dokument mit den dem Bankgeheimnis unterliegenden Daten an seinen Rechtsbeistand weiterleitet, gibt er diese Informationen somit absichtlich an einen Dritten weiter (Art. 47 Abs. 1 Bst. a BankG).

Das hier kommentierte Strafverfahren bezieht sich ausschliesslich auf die späteren Handlungen des Anwalts im Zusammenhang mit dem strittigen Dokument. Art. 47 Abs. 1 Bst. c BankG bestraft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, wer vorsätzlich ein ihm anvertrautes Geheimnis im Sinne von Bst. a offenbart oder dieses Geheimnis zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines Dritten verwertet. Handelt der Täter fahrlässig, wird er mit einer Geldstrafe von bis zu 250’000 Franken bestraft (Abs. 2).

Im Juni 2020 hebt das Bundesgericht den Freispruch des Anwalts durch das Zürcher Kantonsgericht auf. Es verneint die Rechtfertigung der vorsätzlichen Verletzung des Bankgeheimnisses : Die Vorlage des Dokuments durch den Anwalt in seiner Gesamtheit, d.h. mit den dem Bankgeheimnis unterliegenden Daten, sei für die Wahrung der Interessen des Klienten nicht notwendig gewesen (Art. 14 StGB in Verbindung mit Art. 12 Bst. a BGFA ; vgl. 6B_247/2019, kommentiert in cdbf.ch/1143).

Nach der Rückweisung des Falls im Juni 2021 stellte das Obergericht des Kantons Zürich fest, dass der Anwalt fahrlässig gehandelt hatte (vgl. Art. 47 Abs. 2 BankG). Es stellt fest, dass ein solches Verhalten in der Anklageschrift nicht beschrieben wird und dass die Strafverfolgung der fahrlässig begangenen Straftat verjährt ist, und spricht den Rechtsbeistand frei (siehe SB200301-01).

Auf eine Beschwerde der Zürcher Staatsanwaltschaft hin befasst sich das Bundesgericht ein zweites Mal mit diesem Fall.

In ihrer Begründung weisen die Bundesrichter eingangs auf die Schwierigkeit hin, in bestimmten Fällen zwischen Eventualvorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB) und bewusster Fahrlässigkeit (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 Hypo. 2 StGB) zu unterscheiden. Diese beiden Formen des subjektiven Tatbestandsmerkmals stimmen auf der Ebene des Bewusstseins überein : Der Täter hält die Verwirklichung des objektiven Tatbestandsmerkmals für möglich. Auf der Ebene des Willens unterscheiden sie sich jedoch : Der Täter nimmt die Verwirklichung des objektiven Tatbestands in Kauf (Eventualvorsatz) oder der Täter will (erwartet) die Verwirklichung des objektiven Tatbestands nicht (bewusste Fahrlässigkeit). Liegt kein Geständnis des Täters vor, muss die Frage anhand der äußeren Umstände entschieden werden, zu denen das Ausmaß der Verletzung der Sorgfaltspflicht und die dem Täter bekannte Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des Risikos gehören. Je höher diese sind, desto eher wird der Richter zu dem Schluss kommen, dass der Täter die Möglichkeit der Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale in Kauf genommen hat.

Im vorliegenden Fall stellt unser Hoher Gerichtshof in Bezug auf die kognitive Komponente fest, dass der Anwalt den „US-Exit-Report“ als Beweismittel vorgelegt hat, ohne ihn vollständig zur Kenntnis zu nehmen, und dies, obwohl er wusste, dass dieses Dokument (ursprünglich) Informationen enthalten könnte, die unter das Bankgeheimnis fallen. Der Anwalt hielt es somit zumindest für „möglich“, dass er ein Dokument mit geschützten Daten vorlegte.

In Bezug auf die volitionale Komponente in Verbindung mit dem Kriterium des Ausmaßes der Verletzung der Sorgfaltspflicht stützen sich die Bundesrichter erneut auf die Tatsache, dass der Angeklagte es versäumt hat, den „US-Exit-Report“ vor der Vorlage vollständig zu lesen, obwohl er wusste, dass dieses Dokument (ursprünglich) geschützte Informationen enthalten könnte. Das vollständige Lesen eines sechsseitigen Dokuments erforderte nur wenig Aufwand. Der Anwalt hat daher seine Pflicht, seinen Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben, schwer verletzt (Art. 12 Bst. a BGFA).

In Bezug auf das Kriterium der – dem Täter bekannten – Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung stellte das Bundesgericht fest, dass der Anwalt seinen Mandanten nicht fragte, ob er tatsächlich alle dem Bankgeheimnis unterliegenden Daten geschwärzt hatte. Vielmehr habe er sich „blind“ auf seinen Mandanten verlassen, indem er ein weitgehend ungeprüftes Dokument als Beweismittel vorlegte. Damit habe der Anwalt ein besonders hohes Risiko für eine Verletzung des Bankgeheimnisses geschaffen.

Das Bundesgericht ist daher der Ansicht, dass der Anwalt aus Eventualvorsatz und nicht aus bewusster Fahrlässigkeit gehandelt hat. Es heisst die Beschwerde gut und weist den Fall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

In einem anderen Register als das Urteil, das Gegenstand dieses Kommentars ist, aber immer noch im Zusammenhang mit Art. 47 Abs. 1 Bst. c BankG, nahm der Nationalrat im Februar 2023 eine Motion an, die den Bundesrat beauftragte, zu prüfen, „ob die geltende Gesetzgebung geändert werden muss, um die Pressefreiheit in Fragen im Zusammenhang mit dem Finanzplatz zu gewährleisten, und dann gegebenenfalls eine Änderung der einschlägigen Gesetze unter Berücksichtigung der Interessenabwägungen vorzuschlagen“. Drei Normen sind betroffen : Art. 47 BankG, Art. 69 FinfraG und Art.147 FIDLEG.