Geldwäscherei
Eine strafrechtliche Verurteilung wegen eines irregulären ICO

Vaïk Müller
(Übersetzt von DeepL)
In einem Urteil vom 1. Dezember 2022 (CA_2022.10) befand die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts (BStGer) den Geschäftsführer (A.) einer Gesellschaft (Emittentin) für schuldig, weil er nicht verhindert hatte, dass nach einem ICO ausgegebene Token in die Wallets der Teilnehmer transferiert wurden, obwohl weder die Emittentin noch A. einer Selbstregulierungsorganisation (SRO) gemäß GwG angeschlossen waren. A. wurde wegen vorsätzlicher, gewerbsmässiger Ausübung einer Tätigkeit als Finanzintermediär unter Verletzung von Art. 44 Abs. 1 FINMAG cum 14 Abs. 1 GwG verurteilt.
Gemäss seinem White Paper vom 2. November 2017 beabsichtigte der Emittent, eine auf Blockchain basierende Zahlungsplattform zu entwickeln, mit der Waren und Dienstleistungen in jeder beliebigen Kryptowährung bezahlt werden können (die Plattform). Das White Paper sah auch vor, dass der Emittent eine eigene Kryptowährung ausgibt, die frei handelbar ist, aber auf der Plattform kostenlos genutzt und umgewandelt werden kann (die M-Token). Das White Paper wies darauf hin, dass die M.-Token ab initio keine Funktion hätten und erst nach ordnungsgemäßer Konsultation der FINMA als Zahlungsmittel verwendet werden dürften. Mit M.-Token könne man keine Beteiligung am Emittenten erwerben, und der Emittent habe keine Rückzahlungsverpflichtung.
Um die Entwicklung der Plattform zu finanzieren, führte der Emittent zwischen dem 2. und dem 20. November 2017 ein ICO durch. Am 5. Dezember 2017, d.h. nach der Durchführung des ICO, aber vor der Ausgabe der M.-Token, schrieb die Abteilung Enforcement der FINMA den Emittenten an und teilte ihm mit, dass die FINMA eine rechtswidrige Ausgabe und ihre Praxis, die zu diesem Zeitpunkt auf die Aufsichtsmitteilung 04/2017 beschränkt war, vermutete. Das Schreiben der FINMA, dem ein Fragebogen beigefügt war, den der Emittent bezüglich des ICO und des M.-Tokens auszufüllen hatte (das Schreiben bzw. der Fragebogen), wies zudem darauf hin, dass die Ausübung einer Tätigkeit in den durch die Finanzmarktgesetze geregelten Bereichen ohne Bewilligung oder Registrierung gemäss Art. 44 FINMAG strafbar ist.
Pro memoria wurde der Praktische Leitfaden zu ICOs von der FINMA am 16. Februar 2018 veröffentlicht (vgl. cdbf.ch/998/) und der aktuelle Art. 4 Abs. 1bis Bst. c GwV, der virtuelle Währungen, die tatsächlich oder nach der Absicht des Veranstalters oder Emittenten als Zahlungsmittel für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen verwendet werden oder der Übertragung von Geldern oder Werten dienen, als illiquide Zahlungsmittel betrachtet, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft.
Am 12. Dezember 2017 fand ein Treffen zwischen Vertretern des Emittenten, darunter seinem Anwalt, und Mitarbeitern des Fintech Desk der FINMA statt. Die Diskussion drehte sich um verschiedene Projekte, aber nicht spezifisch um das ICO, und der Brief wurde nicht erörtert. Am 22. Dezember 2017 beantwortete A. den Fragebogen und gab an, dass das M.-Token sowohl ein Utility-Token (Zugang zur Plattform) als auch ein Zahlungsmittel sei.
Die Ausgabe der M.-Token und ihre Übertragung in die Wallets der ICO-Teilnehmer erfolgte zwischen dem 28. Dezember 2017 und dem 12. Februar 2018 nach Durchführung eines KYC-Verfahrens (know your customer), das jedoch nicht den materiellen Regeln des GwG entsprach (u.a. keine systematische Identifizierung der wirtschaftlich Berechtigten oder auch kein Risikoprofil). Die Inhaber der M.-Token konnten frei über sie verfügen und sie als Zahlungsmittel verwenden, ohne dass der Emittent irgendeine Kontrolle ausüben konnte.
In rechtlicher Hinsicht ist das BStGer der Ansicht, dass die Verweise auf den KYC-Prozess in der ICO-Dokumentation zeigen, dass A. sich bewusst war, dass das GwG potenziell anwendbar sein könnte, so dass seine nachfolgenden Dementis nicht haltbar sind.
Das TPF weist zudem darauf hin, dass der Brief und der darin enthaltene Hinweis auf die potenzielle Strafbarkeit des ICO A. hätte alarmieren müssen. Mit der Entscheidung, die M.-Token auszugeben, ohne die endgültige Antwort der FINMA abzuwarten und ohne einen Anschluss an eine SRO vorzunehmen, wurde wissentlich ein Risiko eingegangen. Aufgrund dieses Briefes schliesst das TPF auch einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit aus, da A. an der Rechtmässigkeit des ICO und der Ausgabe der M-Token hätte zweifeln müssen.
Zudem wurde, auch wenn Art. 4 Abs. 1bis Bst. c GwV zum Zeitpunkt der Tat noch nicht in Kraft war, das im Strafrecht kardinale Legalitätsprinzip (nulla poena sine lege certa) nicht verletzt. Tatsächlich war der alte Art. 4 Abs. 1 Bst. b GwV, der nicht ausdrücklich „virtuelle Währungen“, sondern allgemein „unbare Zahlungsmittel“ abdeckte, im Hinblick auf dieses Prinzip ausreichend : A. konnte keine andere Schlussfolgerung ziehen, als dass das GwG ab dem Zeitpunkt der Ausgabe angewendet werden musste.
Schliesslich wies das BStGer die Argumente von A. zurück, der erklärte, er habe sich auf das Treffen mit der FINMA vom 12. Dezember 2017 gestützt, bei dem es keine besonderen Vorwürfe bezüglich des ICO gegeben habe (der Brief sei bei diesem Treffen offenbar nicht angesprochen worden), sowie auf die Ratschläge seines Anwalts D., der ihm gesagt habe, dass er sich auf den Brief verlassen habe. der neben anderen beruhigenden Ratschlägen [trotz der Erwähnung von Restrisiken] die Antworten auf den Fragebogen verfasst habe, die sich A. dann zu eigen gemacht habe. Nach Ansicht des BStGer konnte sich A. angesichts der Umstände, insbesondere des Schreibens, nicht ohne Weiteres auf das Treffen mit der FINMA und auf einen für den Emittenten günstigen Rechtsrat verlassen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Rechtsprechung nicht nur die Praxis der FINMA in Bezug auf Zahlungstoken zumindest aus strafrechtlicher Sicht bestätigt, sondern auch eine wohltuende Erinnerung an die Tragweite dieser Praxis und an die Tragweite gesetzlicher Bestimmungen darstellt, deren generell-abstrakte Natur sich auch im Strafrecht oft als ausreichend erweist, um ein Verhalten zu typisieren.