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Stellung der strafprozessrechtlichen Privatklägerschaft nach einer Fusion

Ein (noch zu bestätigender) Etappensieg für die übernehmende Gesellschaft

(Übersetzt von DeepL)

In einem kürzlich ergangenen Urteil bestätigt der Strafappellationshof des Waadtländer Kantonsgerichts die Eigenschaft einer nach einer Fusion durch Absorption übernehmenden Gesellschaft als Privatklägerin (Urteil Jug/2023/314 vom 4. Mai 2023, veröffentlicht am 23. Oktober 2023). Damit weicht es bewusst von der – strengen – Rechtsprechung des Bundesgerichts ab.

Das fragliche Urteil ist nicht endgültig. Es ist daher möglich, dass die Frage demnächst vor das Bundesgericht gebracht wird.

Der Fall betrifft den Diebstahl und die Hehlerei von mehreren hundert Laptops durch einen Angestellten eines multinationalen Unternehmens mit Sitz in der Schweiz und einen Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens, das Computerausrüstung weiterverkauft. Wir gehen in diesem Kommentar nicht näher darauf ein.

Aufgrund dieser Tatsachen erstattete die direkt geschädigte Gesellschaft am 24. Januar 2018 Strafanzeige.

Ein Jahr später, während das Verfahren noch läuft, wird diese Gesellschaft jedoch mit Fusionsvertrag vom 27. Mai 2019 von der Gesellschaft P absorbiert. Damit wird sie aufgelöst und im Handelsregister gelöscht (Art. 3 Abs. 2 FusG).

Anfang 2021 beziffert P seine zivilrechtlichen Ansprüche auf knapp CHF 120’000.

Mit Urteil vom 8. September 2022 verurteilt das Tribunal correctionnel de l’Arrondissement de l’Est vaudois sowohl den unzuverlässigen Angestellten als auch den Computerhändler, den ersten wegen Diebstahls und gewerbsmässiger Hehlerei, den zweiten nur wegen gewerbsmässiger Hehlerei. Das Gericht spricht auch eine Ausgleichsforderung aus, die es P im Rahmen seiner Zivilansprüche zuspricht.

Beide Angeklagten legen gegen das Urteil Berufung ein. Es bleibt jedoch nur die vom Händler eingelegte Berufung bestehen, da der Angestellte schließlich einen Vergleich mit P geschlossen hat.

Unter verschiedenen Beschwerdepunkten bestreitet der Berufungskläger die Eigenschaft von P als Privatkläger und stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, insbesondere auf BGE 140 IV 162 und das Urteil 1B_537/2021 vom 13. Januar 2022 (kommentiert in cdbf.ch/1221/).

Das Berufungsgericht erinnert zunächst daran, dass die Stellung einer Privatklägerschaft nur dem durch die Straftat direkt Geschädigten zusteht (Art. 115 und 118 Abs. 1 StPO). Wenn eine Straftat zum Nachteil einer juristischen Person begangen wird, erleidet folglich nur diese einen Schaden und kann die Stellung als Geschädigter beanspruchen, nicht aber Aktionäre oder Gläubiger.

Das Gericht erinnert sodann daran, dass auch die Rechtsnachfolger einer geschädigten juristischen Person als indirekt Geschädigte zu betrachten sind, die vorbehaltlich der Ausnahme der gesetzlichen Subrogation nach Art. 121 Abs. 2 StPO nicht als Privatkläger auftreten können.

Während das Bundesgericht in BGE 140 IV 162 die Auffassung vertrat, dass eine Fusion keinen Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs darstelle, da der Fusionsvertrag als freiwillige Handlung zu betrachten sei, gelangt das Waadtländer Berufungsgericht zu einer diametral entgegengesetzten Lösung, wobei es sich insbesondere auf die Kritik der Lehre stützt.

Diese Kritik ist teils pragmatisch und beruht auf dem fehlenden praktischen Nutzen eines restriktiven Ansatzes, teils teleologisch und beruht auf dem Fehlen eines Hinweises in den Vorbereitungsarbeiten, dass Art. 121 Abs. 2 StPO nicht angewendet werden sollte, wenn die Subrogation einen vertraglichen Hintergrund hat.

Es wird auch angeführt, dass die Subrogation zugunsten der Versicherung nach Art. 72 aVVG (Art. 95c nVVG) – die das Bundesgericht als typisches Beispiel für die Anwendung von Art. 121 Abs. 2 StPO ansieht – ebenfalls eine freiwillige Grundlage hat, da sie in erster Linie den Abschluss eines Versicherungsvertrags voraussetzt.

In einem wörtlichen Ansatz befasst sich das Gericht noch mit dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 FusG, wonach sämtliche Aktiven und Passiven der übertragenden Gesellschaft „von Gesetzes wegen“ auf die übernehmende Gesellschaft übergehen, sobald die Fusion im Handelsregister eingetragen ist.

Der Gerichtshof führt schliesslich praktische Gründe an, um den Fall einer Vermögensübertragung (untersucht im oben erwähnten Urteil 1B_537/2021), nach der die übertragende Einheit weiterbesteht, so dass eine Übertragung ihrer Rechte nicht erforderlich ist, von dem Fall einer Fusion zu unterscheiden, die ihrerseits die Auflösung und Löschung der übertragenden Gesellschaft impliziert, so dass die Übertragung ihrer Rechte im Sinne von Art. 121 Abs. 2 StPO gerechtfertigt ist.

Aus all diesen Gründen bestätigt der Gerichtshof die Stellung von P als Privatklägerin, so dass er seine Zivilansprüche im Strafverfahren geltend machen kann.

Interessanterweise begründet der Gerichtshof seine Abweichung von der Bundesrechtsprechung – die seiner Ansicht nach „auf einem besseren Verständnis des Zwecks der Strafprozessordnung“ beruht – letztlich mit der kürzlich erfolgten Fusion der beiden grössten Schweizer Banken, die „auf einer staatlichen Intervention und nicht auf dem ursprünglichen Willen der betroffenen Gesellschaften“ beruhe. Diese veränderten Umstände würden eine Umkehrung der Rechtsprechung umso mehr rechtfertigen.

Die Entscheidung des Waadtländer Berufungsgerichts ist pragmatisch und erspart dem Unternehmen P die Verpflichtung, eine separate Zivilklage einzureichen.

Im Falle einer Beschwerde ist es jedoch bei weitem nicht sicher, dass das Bundesgericht dieser Entscheidung folgen würde, da es nach einer detaillierten Analyse in BGE 140 IV 162 eindeutig zu dem Schluss gekommen war, dass die Fusion nicht in den Anwendungsbereich von Art. 121 Abs. 2 StPO fällt. Eine etwas differenziertere Position scheint jedoch aus dem Urteil 1B_537/2021 hervorzugehen, so dass auch hier eine Änderung der Rechtsprechung nicht von vornherein auszuschließen ist.