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Die Saga geht weiter

Amtshilfe in Strafsachen ausgesetzt, aber Beschlagnahmungen beibehalten

(Übersetzt von DeepL)

In einem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil 1C_543/2023 vom 7. März 2024 bestätigt das Bundesgericht (BG) seine Rechtsprechung zur Aussetzung der Rechtshilfe und zur Aufrechterhaltung der Beschlagnahme von Geldern, die in der Schweiz in Ausführung eines von Russland vor dem Angriff auf die Ukraine gestellten Ersuchens beschlagnahmt worden waren. Er dehnt sie auf eine Beschlagnahme aus, die bereits acht Jahre gedauert hat, und schließt die Möglichkeit aus, sich auf Art. 2 IRSG zu berufen.
Das Bundesstrafgericht (BStGer) (RR.2022.183, 27. September 2023) hatte die Beschwerde gegen die Verfügung der Bundesanwaltschaft (BA) zur Aufrechterhaltung der Beschlagnahme gutgeheissen und erklärt, dass die Rechtshilfe zu verweigern und die Sperre aufzuheben sei, unter Vorbehalt einer Frist von drei Monaten, um der BA die Möglichkeit zu geben, im Rahmen eines (neuen) schweizerischen Strafverfahrens eine Beschlagnahme auszusprechen. Das Bundesamt für Justiz (BJ) legt beim BGer Beschwerde ein.
Der Fall wirft zwei inhaltliche Fragen auf. Die erste ist die Frage, ob die Rechtshilfe aufgrund der Anwendung von Art. 2 IRSG zu verweigern ist, da sich das BGer in BGE 149 IV 144 nicht mit dieser Bestimmung befasst hat. Die zweite Frage betrifft die Verhältnismässigkeit der Aufrechterhaltung der strittigen Beschlagnahme im Hinblick auf ihre Dauer.
Die erste Frage beantwortet das BGer verneinend : Art. 2 IRSG kann im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Verfügung zur Aufrechterhaltung eines Arrests nicht geltend gemacht werden. Die Rüge ist Fällen vorbehalten, in denen eine Übergabe an das Ausland erfolgt, unabhängig davon, ob sie sich auf eine Person (Auslieferung) oder auf Güter (Bankunterlagen oder Guthaben) bezieht.
Die zweite Frage besteht aus drei Teilen. Der erste bezieht sich auf die Dauer des Verfahrens im ersuchenden Staat. Das BGer urteilt, dass es sich hierbei um die Rüge nach Art. 2 IRSG handelt, die, wie bereits dargelegt, nicht geltend gemacht werden kann. Der zweite Teil betrifft den Grundsatz der Beschleunigung, der die Tätigkeit der Schweizer Behörden bei der Erledigung des ausländischen Ersuchens regelt : Dieser Aspekt ist in casu unproblematisch. Der letzte Aspekt der Verhältnismässigkeit der Beschlagnahme bezieht sich auf die Eigentumsgarantie und betrifft direkt die Dauer der Beschlagnahme der Vermögenswerte in der Schweiz und ihre Abwägung mit der genannten Garantie. Das BGer erinnert an seine Rechtsprechung zur akzeptablen Dauer einer Beschlagnahme, insbesondere in Bezug auf die Komplexität des ausländischen Verfahrens und dessen Fortschritt, und kommt zum Schluss, dass kein Verstoss vorliegt. Es weist das BJ jedoch an, die Entwicklung des russischen Strafverfahrens zu verfolgen und den russischen Behörden gegebenenfalls eine Frist für die Vorlage einer vollstreckbaren Entscheidung zu setzen.
In Anbetracht dieser Gründe heisst das BGer die Beschwerde gut.
Das Urteil knüpft an BGE 149 IV 144 an, das ein Jahr zuvor ergangen war (siehe Ludwiczak Glassey, cdbf.ch/1270/). Damals ging ich nicht auf das Argument ein, dass der in der Rechtshilfe ausgesprochene Arrest dazu dienen könne, die Verfügbarkeit der Gelder für die Bedürfnisse eines künftigen Schweizer Strafverfahrens sicherzustellen. Dieses Argument wurde jedoch auch dieses Mal vom Bundesstrafgericht ohne rechtliche Grundlage wieder aufgegriffen. Da die Bundesanwaltschaft kein solches Verfahren eröffnet hat, musste die Frage vom BGer nicht behandelt werden.
Auffällig ist, dass das BGer die gesetzliche Grundlage, auf die sich die Beschlagnahme stützt, nämlich Art. 18 IRSG, nirgends erwähnt, obwohl dessen Voraussetzungen erfüllt sein müssen : Eine Beschlagnahme ist eine Einschränkung des Grundrechts auf Eigentum (Art. 26 Abs. 1 BV) und kann mangels gesetzlicher Grundlage nicht verhängt werden (Art. 36 Abs. 1 BV).
Nach dieser Bestimmung kann eine vorläufige Maßnahme im Bereich der Rechtshilfe nur dann erlassen werden, wenn „ein in l’EIMP vorgesehenes Verfahren nicht offensichtlich unzulässig oder unzweckmäßig erscheint“. Das besagte „Verfahren“ besteht hier in der Rückgabe zwecks Einziehung oder Rückgabe an den Berechtigten (Art. 74a IRSG) oder, je nach ausländischem Ausspruch, in der Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung (Art. 94 ff. IRSG). Was die Bedingung betrifft, dass dieses Verfahren nicht „offensichtlich unzulässig oder unzweckmäßig“ erscheinen darf, so impliziert sie entgegen der Auffassung des BGer eine Analyse von Art. 2 IRSG. Die Verwirklichung dieses Verweigerungsgrundes verhindert nämlich jegliche Herausgabe von Vermögenswerten an Russland. Im Übrigen war die Situation in diesem Staat im Hinblick auf diesen Grundsatz in BGE 149 IV 144 untersucht worden (obwohl die Bestimmung nicht erwähnt worden war), und ganz allgemein ist die Gewährung von Rechtshilfe an Russland seit dem Austritt aus dem Europarat und der Aggression der Ukraine nicht mehr gerechtfertigt. Somit muss die Rüge aus Art. 2 IRSG in einer Beschwerde gegen eine Beschlagnahme(aufrechterhaltungs)verfügung geltend gemacht werden können, um festzustellen, ob die Rechtshilfe nicht offensichtlich unzulässig im Sinne von Art. 18 IRSG ist.
Die Argumentation des BGer bezüglich des Arguments im Zusammenhang mit der Dauer der Beschlagnahme und der Einschränkung der Eigentumsgarantie führt ihrerseits dazu, dass die Schweizer Behörden gegenüber dem ersuchenden Staat ein widersprüchliches Verhalten an den Tag legen. Das BJ wird nämlich aufgefordert, den Stand des russischen Strafverfahrens regelmässig zu überprüfen und den russischen Behörden eine Frist für die Vorlage einer endgültigen Entscheidung über den Verbleib der Gelder zu setzen. Sollte eine solche Entscheidung in Kürze an die Schweiz gerichtet werden, könnte sie nicht weiterverfolgt werden, da die Rechtshilfe an Russland derzeit nicht möglich ist. Die Beschlagnahme müsste dann aufgehoben werden.
Meiner Ansicht nach besteht eine Verwechslung zwischen der Aussetzung der Rechtshilfe (d. h. der Tatsache, dass Russland derzeit und auf unbestimmte Zeit keine Rechtshilfe gewährt werden kann, jedoch in der Hoffnung, dass sich die Situation günstig entwickelt) und der Aussetzung der laufenden Fälle, was die Aufrechterhaltung der vor der Statusänderung Russlands angeordneten vorläufigen Maßnahmen impliziert.