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Interne Untersuchungen

Die asymmetrischen Konturen des Anwaltsgeheimnisses

(Übersetzt von DeepL)

Die Urteile des Bundesgerichts 7B_158/2023 und 7B_874/2023 vom 6. August 2024 wurden in der gleichen Sache von der 2. strafrechtliche Abteilung im Zusammenhang mit einem Siegelverfahren gefällt. Das erste, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil scheint uns im Gegensatz zum zweiten überzeugend.

Ausnahmsweise – und das ist wichtig – wurde das Strafverfahren nicht wegen Geldwäscherei, sondern wegen Verstosses gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eröffnet. Kurz gesagt verdächtigt die Zürcher Staatsanwaltschaft eine Person, von der man versteht, dass sie ein Mitarbeiter eines Unternehmens ist oder war, sowie einen weiteren unbekannten Täter innerhalb des Unternehmens, Investoren irreführende Informationen über das Unternehmen gegeben zu haben.

Mit Hinterlegungsanordnung vom 31. Mai 2022 fordert die Staatsanwaltschaft vom Unternehmen einen internen Untersuchungsbericht samt Beilagen an, der sich auf den untersuchten Sachverhalt bezieht und von einer Anwaltskanzlei erstellt wurde. Das Unternehmen händigt die Dokumente aus und beantragt gleichzeitig die Versiegelung. Am 24. November 2022 lehnt das Zwangsmassnahmengericht den Antrag der Strafverfolgungsbehörde auf Aufhebung der Siegelung ab und ordnet die Rückgabe der Dokumente an das Unternehmen an. Die Staatsanwaltschaft legt beim Bundesgericht Beschwerde ein.

Parallel dazu wendet sich die Strafverfolgungsbehörde im Januar 2023 an die FINMA, die im Zusammenhang mit denselben Ereignissen einEnforcementverfahren durchgeführt hat. Im Rahmen dieses Enforcements übergab das Unternehmen der Aufsichtsbehörde den internen Untersuchungsbericht, der Gegenstand des oben erwähnten Siegelverfahrens war. Die Staatsanwaltschaft verlangt von der Verwaltungsbehörde den Bericht des Untersuchungsbeauftragten, der die FINMA unterstützt hat, sowie die Verfügung zur Feststellung schwerer Verletzungen des Aufsichtsrechts, die am Ende desEnforcementverfahrens erlassen wurde.

Die FINMA übergibt die versiegelten Dokumente der Staatsanwaltschaft, nachdem das Unternehmen einen entsprechenden vorsorglichen Antrag gestellt hat. Die Staatsanwaltschaft lehnt die Versiegelung ab. Das von der Firma angerufene Zürcher Obergericht erkannte an, dass die von der FINMA übermittelten Unterlagen versiegelt werden durften. Das Zwangsmassnahmengericht schliesst sich der Position der Staatsanwaltschaft an und tritt nicht auf deren Antrag auf Aufhebung der Versiegelung ein, sondern ordnet mit Entscheid vom 5. Oktober 2023 die „Freigabe“ der Dokumente für die Verwendung im Strafverfahren an.

Das Bundesgericht weist sowohl die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Verfügung zur Aufrechterhaltung der Versiegelung des internen Untersuchungsberichts (7B_158/2023) als auch die Beschwerde der Gesellschaft gegen die Entsiegelung der bei der FINMA angeforderten Dokumente (7B_874/2023) ab, ohne die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit der Versiegelung der Dokumente zu entscheiden.

In seinem ersten Urteil entscheidet das Bundesgericht, unseres Wissens zum ersten Mal eindeutig, dass die Ermittlung des Sachverhalts zur typischen Tätigkeit eines Anwalts gehört. Der interne Untersuchungsbericht ist somit durch das Berufsgeheimnis geschützt. Zu beachten ist, dass die Aussage wahrscheinlich nicht unverändert auf ein Geldwäscheverfahren übertragen werden kann, da die Sachverhaltsabklärungen, auch die einer Anwaltskanzlei, unter Umständen als – atypische – Kontroll- und Prüfungsaufgabe im Zusammenhang mit der Einhaltung der Pflichten zur Bekämpfung der Geldwäscherei betrachtet werden können. Somit scheint uns die – wenn auch nicht veröffentlichte – bisherige Rechtsprechung der I. Öffentlichrechtlichen Abteilung (vgl. 1B_509/2022 vom 2. März 2023, kommentiert in Villard cdbf.ch/1279), die durch die Schaffung der II. Strafrechtlichen Abteilung per1. Juli 2023 von der Materie entlastet wurde, a priori immer noch aktuell zu sein.

Das Bundesgericht hält auch fest, dass die Anhänge zum Untersuchungsbericht, die aus (Kopien von) bereits bestehenden firmeninternen Dokumenten bestehen, aber vom Anwalt ausgewählt und sortiert wurden, ebenfalls durch das Berufsgeheimnis geschützt sind. Die Staatsanwaltschaft kann hingegen selbstverständlich die genannten Dokumente innerhalb des Unternehmens beschlagnahmen. Der Hohe Gerichtshof fügt in diesem Zusammenhang hinzu, dass ein Rechtsstaat mit der Tatsache leben muss, dass das Berufsgeheimnis die Wahrheitsfindung erschweren kann.

Schliesslich lehrt uns das Urteil, dass die Übermittlung des internen Untersuchungsberichts an einen Dritten – in diesem Fall an die FINMA – nicht automatisch dazu führt, dass das Dokument seinen geheimen Charakter verliert.

Diese letzte Überlegung wird jedoch durch das zweite Urteil des Bundesgerichts weitgehend abgeschwächt, das uns gleichzeitig mitteilt, dass Dokumente, die dem Dritten – in diesem Fall der FINMA – bewusst und freiwillig übergeben wurden, in dessen Händen nicht mehr geschützt sind. Mit anderen Worten : Gemäss Bundesgericht hätte die Staatsanwaltschaft sogar den internen Untersuchungsbericht bei der FINMA anfordern können… Erst recht können die Ergebnisse desEnforcementverfahrens, selbst wenn sie auf dem internen Untersuchungsbericht beruhen, im Strafverfahren verwendet werden.

Wie eingangs erwähnt, erscheint uns der Ansatz nicht richtig. Erstens scheint die Annahme, dass die Übergabe des internen Untersuchungsberichts durch den Beaufsichtigten an den Regulator im Rahmen einesEnforcementverfahrens(völlig) freiwillig erfolgte, da sie von der FINMA offensichtlich nicht formell verlangt wurde, eine Fiktion zu sein. Zweitens erscheint es widersprüchlich, einerseits zuzugeben, dass ein Dokument durch die Weitergabe an einen Dritten den Schutz der Geheimhaltung nicht verliert, und andererseits die Entnahme des Dokuments aus den Händen dieses Dritten zu akzeptieren. Die Frage muss in ihrer Gesamtheit gelöst werden. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Dokumente gemäß Art. 264 StPO durch das Berufsgeheimnis geschützt sind : „[q]uels que l’endroit où ils se trouvent“ (unabhängig davon, wo sie sich befinden).

Im zweiten Urteil hätte sich das Bundesgericht unserer Ansicht nach die Frage stellen müssen, ob und in welchem Umfang die im Bericht des Untersuchungsbeauftragten und in der Schlussverfügung der FINMA enthaltenen Informationen aus dem internen Untersuchungsbericht stammen und ob sie auch ohne diesen Bericht hätten beschafft werden können.