Fristlose Entlassung
Ein Bankdirektor versucht, sein Team abzuwerben

Roxane Pedrazzini
(Übersetzt von DeepL)
Das Bundesgericht validiert die fristlose Entlassung eines Direktors einer Tessiner Bank, die ursprünglich aufgrund eines bloßen Verdachts ausgesprochen wurde, und stützt sich dabei auf den Formalismus der Verfahrensregeln (Urteil 4A_399/2022 vom 3. Juni 2024).
Der Arbeitnehmer arbeitet seit Juni 2008 als Investment Manager der Niederlassung einer Bank in Lugano und ab Juni 2013 als deren Leiter. Zu diesem Zeitpunkt vereinbaren die Parteien unter anderem ein Gehalt von CHF 400’000 pro Jahr mit einer Mindestanstellungsdauer bis zum 30. Juni 2016 und einen Bonus von CHF 400’000, der der Bedingung unterliegt, dass der Direktor bis zum oben genannten Datum angestellt bleibt.
Am 5. November 2015 informierte ein Anwalt die Bank, dass fünf Mitarbeiter aus dem Team des Direktors diesen beschuldigten, er versuche, sie für eine andere Bank abzuwerben, indem er finanziellen Druck auf sie ausübe. Die Bank entlässt den Direktor am 6. November 2015 mit sofortiger Wirkung. Dieser reicht am 30. Mai 2016 eine Zahlungsklage gegen die Bank ein und beruft sich auf eine ungerechtfertigte fristlose Entlassung. Die beiden Tessiner Instanzen geben der Klage des Direktors statt.
In einem ersten Urteil 4A_365/2020 vom 5. April 2022 heisst das Bundesgericht die Beschwerde der Bank teilweise gut. Es erinnert an seine Rechtsprechung, die auf eine fristlose Entlassung anwendbar ist, die aufgrund eines Verdachts ausgesprochen wird. Eine solche Kündigung ist gerechtfertigt, (i) wenn später nachgewiesen wird, dass der Angestellte die vorgeworfenen Fehlhandlungen begangen hat (und sofern diese geeignet sind, das Vertrauensverhältnis zu stören) (Urteil 4A_251/2015 vom 6. Januar 2016) oder (ii) wenn die Fehlhandlungen nie nachgewiesen werden, aber (a) der Verdacht so ernst und wichtig ist, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv unmöglich macht, oder (b) der Arbeitgeber die Richtigkeit seines Verdachts vernünftigerweise überprüft hat, zum Beispiel durch eine Anhörung des Arbeitnehmers (Urteil 4A_419/2015 vom 19. Februar 2016).
Das Bundesgericht ist der Ansicht, dass die Bank nicht alles unternommen hat, was zur Klärung der Richtigkeit ihres Verdachts notwendig war, insbesondere hat sie den Direktor nicht angehört und nicht versucht zu überprüfen, ob dieser tatsächlich Gespräche mit konkurrierenden Bankinstituten geführt hatte. Hingegen hätte das Tessiner Kantonsgericht laut Bundesgericht die Vorwürfe der Bank gegen das erstinstanzliche Urteil prüfen müssen, in dem die Existenz des dem Direktor angelasteten Plans zur Versetzung einiger seiner Mitarbeiter verneint worden war. Mit anderen Worten hätte das kantonale Gericht prüfen müssen, ob der Direktor tatsächlich versucht hatte, einen Teil seines Teams abzuwerben, oder zumindest, wie ernst der diesbezügliche Verdacht der Bank war. Das Bundesgericht wies die Sache daher an das kantonale Gericht zurück, damit dieses seinen Entscheid in diesem Punkt begründet.
In einem neuen Urteil vom 21. Juli 2022 hält das kantonale Gericht fest, dass der Direktor sehr wohl versucht hat, einen Teil seines Teams in eine andere Bank zu versetzen, was geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zu zerstören. Die fristlose Entlassung ist somit gerechtfertigt.
Es ist also der Direktor, der sich zum ersten Mal in der Position des Beschwerdeführers wiederfindet, und das auch noch vor dem Bundesgericht. Im Rahmen seiner Beschwerde beruft er sich insbesondere auf die Verspätung der fristlosen Entlassung, da die Bank bereits am 2. November 2015 (und nicht erst am 5. November 2015) von den Vorwürfen Kenntnis gehabt habe. Der Direktor wirft dem Kantonsgericht daher eine Rechtsverweigerung vor, weil es diese Frage nicht geprüft habe.
Das Bundesgericht wies diesen Vorwurf zurück, indem es festhielt, dass es dem Direktor oblag, im Berufungsverfahren gegebenenfalls die Verspätung der fristlosen Kündigung anzufechten, da im erstinstanzlichen Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass diese Kündigung innerhalb der erforderlichen Frist (“ tempestivamente „) erfolgt war. Somit hätte der Direktor seine Beschwerdepunkte gegen das erstinstanzliche Urteil in seiner Antwort auf die Berufung vorbringen müssen, auch wenn er das Ergebnis des Urteils nicht anfechten wollte. Folglich hat der Direktor die kantonalen Instanzen in diesem Punkt nicht ausgeschöpft und die Rüge ist somit unzulässig.
Der Direktor rügte zudem, dass das kantonale Gericht davon ausgegangen sei, dass sein Plan, einen Teil seines Teams zu verlegen, konkret und ernsthaft gewesen sei. Das Bundesgericht hält fest, dass die vom Direktor diesbezüglich geäusserte Kritik appellatorischer Natur ist und keine willkürliche Feststellung des Sachverhalts zulässt. Denn seine Kritik bezieht sich zum einen auf Tatsachen, die nicht relevant sind, und beruht zum anderen auf einer persönlichen Beweiswürdigung. Somit wird auch dieser Vorwurf für unzulässig erklärt.
Folglich ist der Verdacht der Bank nun bewiesen und war geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören. Die Gültigkeit der fristlosen Entlassung wird somit bestätigt.
Dieses Urteil verdeutlicht den den Praktikern bekannten Formalismus der Verfahrensregeln. Selbst bei einem positiven Urteil muss der Beklagte die rechtlichen Erwägungen und Tatsachenfeststellungen des von der Gegenseite angefochtenen Urteils, die ihm bei einer abweichenden Entscheidung der Berufungsinstanz zum Nachteil gereichen könnten, antizipieren und kritisieren. Dies ist umso mehr der Fall, wenn der Beschwerdegegner der ursprüngliche Kläger in dem Fall ist.