Zwangsvollstreckung und internationale Sanktionen
Laut Obergericht Zürich hat das Einfrieren von Vermögenswerten nach dem EmbG Vorrang vor dem SchKG.

Joël Pahud
(Übersetzt von DeepL)
In einem Urteil PS240181 vom 14. November 2024 hält dasObergericht Zürich fest, dass Art. 44 SchKG trotz der fehlenden Erwähnung des EmbG in Art. 44 SchKG analog auf Massnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten anwendbar ist, die nach dem Embargogesetz (EmbG) und seinen Ausführungsverordnungen ergriffen werden. Daraus folgt, dass eine Verwertung nach dem SchKG nicht möglich ist, solange die Vermögenswerte eingefroren sind.
Am 6. Juni 2023 erwirkt eine Gläubigerin mit einem vollstreckbaren Urteil des Bezirksgerichts Luxemburg in Zürich einen Arrest gegen eine Schuldnerin gemäss Art. 271 ff SchKG. Insbesondere wird eine Bankbeziehung in Zürich angestrebt. Später, im Stadium der Pfändung, informiert die Bank das Betreibungsamt, dass die fragliche Beziehung Gegenstand einer vom Staatssekretariat für Wirtschaft („SECO“) gemäss Art. 15 Abs. 1 der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine („Ukraine-Verordnung“) angeordneten Vermögenssperre sei.
Das Betreibungsamt fordert die Gläubigerin daraufhin auf, das luxemburgische Urteil vorzulegen, um es an das SECO zur Prüfung weiterzuleiten. Aus einem Erwägungsgrund des Urteils (Nr. 4.1) entnehmen wir, dass das SECO offenbar prüfen wollte, ob eine Ausnahmebewilligung zur Freigabe der Guthaben in Frage kommt, die eine Verwertung der fraglichen Bankguthaben zugunsten der Gläubigerin gemäss SchKG ermöglicht hätte.
Am 30. Juli 2024 stellte das Betreibungsamt das Verwertungsverfahren ein, nachdem es festgestellt hatte, dass die Gläubigerin das luxemburgische Urteil nicht vorgelegt hatte. Die Gläubigerin erhebt erfolglos Beschwerde bei der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs (Art. 17 SchKG). Anschließend legte sie beimObergericht Zürich, der obersten kantonalen Aufsichtsbehörde (Art. 18 SchKG), Beschwerde ein, da sie der Ansicht war, dass die Verfügung des Betreibungsamtes, mit der sie aufgefordert wurde, eine Kopie des luxemburgischen Urteils zur Prüfung durch das SECO einzureichen, ungültig sei.
Das Hauptargument der beschwerdeführenden Gläubigerin ist, dass das EmbG in Art. 44 SchKG nicht erwähnt wird, der „die Verwertung von Gegenständen, die nach eidgenössischen oder kantonalen Straf- oder Steuergesetzen oder nach dem Gesetz vom 18. Dezember 2015 über Vermögenswerte aus unrechtmässiger Herkunft eingezogen werden“ vorbehält. Im Wesentlichen handele es sich um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers. Das Betreibungsamt hätte daher das SECO nicht ersuchen dürfen und die Betreibung müsse ihren eigenen Weg gehen.
DasObergericht weist die Klage ab. DasObergericht lässt die Frage offen, ob das Einfrieren von Vermögenswerten nach Art. 15 Abs. 1 der Ukraine-Verordnung nur auf Art. 2 Abs. 3 EmbG oder auch auf Art. 184 Abs. 3 BV beruht, und urteilt, dass in beiden Fällen die Verwertung nach dem SchKG zurücktreten muss. DasObergericht weist darauf hin, dass das Bundesgericht bereits entschieden hat, dass Art. 44 SchKG analog auf Bundesratsbeschlüsse anwendbar ist, die auf der Grundlage von Art. 184 Abs. 3 BV die Sperrung von Vermögenswerten anordnen (BGE 131 III 652). Laut Bundesgericht „liegen [l]es Maßnahmen – Verordnungen oder Verfügungen -, die auf der Grundlage der betreffenden Verfassungsnorm getroffen werden, in der Regel, fast definitionsgemäß, praeter legem und treten gewissermaßen an die Stelle von Gesetzen, die gerade nicht existieren“. Daraus folgt, dass eine auf der Grundlage von Art. 184 Abs. 3 BV erlassene Sperrverfügung mit einem Straf- oder Steuergesetz im Sinne von Art. 44 SchKG gleichzusetzen ist.
In Bezug auf das EmbG stellt dasObergericht fest, dass dessen Sinn und Zweck nicht darin bestand, den Erlass von Verordnungen zu ermöglichen, die weniger weitreichend sind als solche, die nur auf Art. 184 Abs. 3 BV beruhen. Im Gegenteil, das EmbG legt den Rahmen fest, um den Erlass weitergehender Verordnungen zu ermöglichen. So ist nach Ansicht des Obergerichts eine auf der Grundlage des EmbG erlassene Verordnung auch eine Verordnung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichts, die in gewisser Weise an die Stelle des Gesetzes tritt.
Wir weisen darauf hin, dass das Bundesgericht bereits in einem obiter dictum festgehalten hat, dass die analoge Anwendung von Art. 44 SchKG „wohl auch“ für Verordnungen nach dem EmbG gilt (BGer 5F_2/2011 vom 12. Mai 2011 E. 3.3.1 ; vgl. auch Meier-Dieterle/Keller, Der Arrestvollzug bei Banken, ZZZ/PCEF 62/2023, S. 146 ff, S. 153 ; Pahud, Le séquestre et la protection provisoire des créances pécuniaires, 2018, S. 167 f. 463).
Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich unserer Ansicht nach folgende Konsequenzen :
– Solange Vermögenswerte Gegenstand einer auf das EmbG gestützten Einfrierungsmassnahme sind, können diese Vermögenswerte vom Betreibungsamt beschlagnahmt oder gepfändet werden, aber sie können nicht nach dem SchKG verwertet werden.
– Die Sicherstellung nach EmbG geht auch dann vor, wenn sie nach der Beschlagnahme oder Pfändung nach SchKG erfolgt.
– Die Gläubiger werden darauf verwiesen, vor den nach EmbG zuständigen Behörden zu klagen. Im Wesentlichen sehen die jüngsten auf dem EmbG basierenden Verordnungen, darunter die Ukraine-Verordnung, vor, dass das SECO ausnahmsweise die Freigabe eingefrorener wirtschaftlicher Ressourcen genehmigen kann, um unter anderem Härtefälle zu verhindern, bestehende Verträge zu erfüllen oder Forderungen in Anwendung einer gerichtlichen, administrativen oder schiedsgerichtlichen Entscheidung zu begleichen (vgl. notabene Art. 15 Abs. 5 Ukraine-Verordnung oder Art. 2 Abs. 3 Venezuela-Verordnung). Die diesbezügliche Entscheidung des SECO kann beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (vgl. z.B. Urteil des BVGer B-547/2023 vom 7. November 2023).
Gegen das Urteil desObergerichts wurde beimBundesgericht eine Beschwerde eingereicht (5A_802/2024).