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Begrenzung des versicherten Risikos

Vom Rückkauf eines amerikanischen Investmentfonds bis zu einem Versicherungsstreit in der Schweiz

(Übersetzt von DeepL)

In einem kürzlich ergangenen Urteil, das sich insbesondere mit der Auslegung eines Versicherungsvertrags befasste, musste das Bundesgericht den Umfang des versicherten Risikos im Lichte der Begriffe „primäre Begrenzung“ und „sekundäre Begrenzung des Risikos“ bestimmen (BGer 4A_72/2021 vom 28. September 2021).

Eine Schweizer Holding erbringt über ihre Tochtergesellschaften Finanzdienstleistungen, darunter eine amerikanische Tochtergesellschaft.

Um sich gegen Haftungsrisiken im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit abzusichern, schloss die Holding für sich und ihre Tochtergesellschaften einen Haftpflichtversicherungsvertrag mit einem englischen Versicherer ab.

Im Jahr 2013 reichte die Holding beim Versicherer einen Antrag auf Entschädigung ein. Im Wesentlichen machte die Holding folgenden Versicherungsfall geltend :

  • Im März 2009 nahm die amerikanische Tochtergesellschaft Verhandlungen mit einem Investmentfondsmanager auf, um einen von diesem kontrollierten Investmentfonds zu übernehmen ;
  • Im April 2009 leiteten drei ehemalige Manager des Fondsmanagers ein Zivilverfahren gegen diesen ein. Sie machten geltend, dass die geplante Transaktion zwischen dem Manager und der amerikanischen Tochtergesellschaft ihre vertraglichen Rechte verletzt habe : Der Manager hatte sich nämlich verpflichtet, den drei Managern einen Prozentsatz der Verwaltungsgebühren, die er dem streitigen Investmentfonds in Rechnung stellte, zurückzuerstatten. Die Übertragung des Fonds auf die amerikanische Tochtergesellschaft hätte jedoch die Zahlung dieser Gebühren und damit auch die Zahlung der Rückvergütungen beendet ;
  • im Juli 2009 schlossen der Fondsmanager und die amerikanische Tochtergesellschaft dennoch die geplante Transaktion ab ;
  • anschließend beantragten und erreichten die drei Manager die Ausweitung des gegen den Fondsmanager anhängigen Zivilverfahrens auf die amerikanische Tochtergesellschaft ;
  • Im Frühjahr 2013 schloss die amerikanische Tochtergesellschaft einen Vergleich in Höhe von mehreren Millionen Dollar mit den drei oben genannten Managern.

Hierbei ist anzumerken, dass die amerikanische Tochtergesellschaft alle Rechte, die ihr der Versicherungsvertrag einräumte, an die Holding abgetreten hat.

Da der Versicherer sich weigerte, auf den Antrag auf Entschädigung einzugehen, reichte die Holding eine Zahlungsklage ein. Ihre Anträge wurden in erster und zweiter Instanz mit der Begründung abgelehnt, dass die Schadensmeldung verspätet erfolgt sei. Das Bundesgericht, das mit einer ersten Berufung der Holding befasst wurde, war der Ansicht, dass die Schadensmeldung zwar verspätet erfolgt sei, die Ansprüche der Holding jedoch nicht verjährt seien. Der Fall wurde daher zur erneuten Entscheidung an die Berufungsinstanz zurückverwiesen (BGer 4A_490/2019 vom 26. Mai 2020). Die Berufungsinstanz wies die Klage der Holding jedoch erneut ab, da diese den Eintritt eines Versicherungsfalls nicht nachgewiesen habe, was die Holding nun vor dem Bundesgericht anficht.

Das Gericht beginnt mit der Auslegung des Vertrags, um den Umfang des versicherten Risikos zu bestimmen.

Die relevante Klausel lautet wie folgt :

Underwriters shall indemnify the Assured for Loss resulting from claims made against the Assured by third parties for Civil Liability provided such claims arise out of the provision by or on behalf of the Assured of financial […] services to third parties in the course of the Assured’s business“.

Bei einer objektiven Auslegung des Vertrags stellt das Bundesgericht fest, dass der Sinn dieser Klausel klar ist : Nur Verluste, die sich aus der Erbringung von Finanzdienstleistungen durch den Versicherten ergeben, können entschädigt werden. Mit anderen Worten : Die entstandenen Verluste müssen in einem kausalen Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen stehen.

In einem zweiten Schritt muss das Bundesgericht klären, ob die Anforderung, dass der Schaden aus der Erbringung von Finanzdienstleistungen resultieren muss („provided such claims arise out of the provision […] of financial […] services“), eine primäre oder sekundäre Begrenzung des versicherten Risikos darstellt.

Theoretisch grenzt eine primäre Beschränkung das versicherte Risiko ein, während eine sekundäre Beschränkung bestimmte Risiken innerhalb des durch die primären Beschränkungen definierten Kreises ausschließt. In der Praxis haben primäre und sekundäre Beschränkungen die gleiche Funktion der Eingrenzung und des Ausschlusses. Die eigentliche Unterscheidung zwischen primären und sekundären Beschränkungen erfolgt auf der Ebene der Beweislast : Der Versicherte muss nachweisen, dass der eingetretene Schaden in den durch die primären Beschränkungen definierten Deckungsbereich des Vertrags fällt. Gelingt dieser Nachweis nicht, liegt kein Versicherungsfall vor. Umgekehrt obliegt es dem Versicherer, nachzuweisen, dass ein Ausschlussfall (sekundäre Beschränkung) vorliegt. Die Frage, ob eine Risikobeschränkung als primär oder sekundär zu qualifizieren ist, ist ebenfalls eine Frage der Auslegung.

Im vorliegenden Fall ist das Bundesgericht der Ansicht, dass das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und der Erbringung von Finanzdienstleistungen tatsächlich eine primäre Risikobeschränkung darstellt, was sich sowohl aus dem Zweck der einschlägigen Klausel als auch aus der Systematik des Vertrags ableiten lässt. Das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs musste daher von der Holding nachgewiesen werden : Gemäß dem angefochtenen Urteil wurde dies jedoch nicht getan, da die Holding es versäumt hatte, die relevanten Tatsachen in der ersten Instanz vorzubringen. Daher kam die Berufungsinstanz zu Recht zu dem Schluss, dass kein Versicherungsfall vorliegt.

Die Argumentation des Bundesgerichts ist zu begrüßen : Durch eine einfache Auslegung gelingt es unserem höchsten Gericht, sich durch einen komplexen Sachverhalt zu arbeiten und zu einer überzeugenden Lösung zu gelangen. Aus diesem Urteil lässt sich vor allem die folgende Lehre ziehen : Primäre und sekundäre Begrenzungen des versicherten Risikos müssen im Versicherungsvertrag klar unterschieden werden. Die Konsequenzen, die sich aus dieser Zweiteilung ergeben, sind zu wichtig, um sie dem Zufall einer späteren Auslegung zu überlassen. Idealerweise sollte man dem Beispiel des in diesem Urteil analysierten Versicherungsvertrags folgen : eine Klausel zur Festlegung des versicherten Risikos und eine separate Klausel zur Aufzählung der Ausschlussfälle vorsehen. Wie das Bundesgericht andeutet, ermöglicht diese – alles in allem recht intuitive – redaktionelle Technik eine einfache Unterscheidung zwischen primären und sekundären Einschränkungen.