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Administrative Rechtshilfe

Die Informationen über einen unwiderruflichen und diskretionären Trust sind relevant

(Übersetzt von DeepL)

Indien bittet die Schweiz um Auskünfte über Anne. Diese soll über Truststrukturen ein Konto bei der Bank „B.“ haben. Nach einer verfahrenstechnischen Wechselfolge willigt die ESTV ein, ihrer Gegenpartei die Information zu übermitteln, dass die betroffene Person « beneficiary of the overlying trust of the company holding the account with the number xxx […] » ist. Anne focht diese Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, das ihrer Klage nur teilweise stattgab. Da sie weiterhin unzufrieden ist, wendet sie sich an das Bundesgericht (2C_936/2020 vom 28.12.2021), dem sie insbesondere folgende Grundsatzfrage stellt :

Ist die Voraussetzung der wahrscheinlichen Relevanz der Informationen […] erfüllt, wenn die Person, auf die sich die Amtshilfe bezieht, nur Begünstigte eines diskretionären und unwiderruflichen Trusts ist ?

Im vorliegenden Fall geht es darum, ob und gegebenenfalls inwieweit Informationen über das Konto, das eine natürliche Person als Begünstigte eines Trusts – über eine Gesellschaft („underlying company“) – hält, wahrscheinlich relevant sein können.

Gemäß dem DBA-IN „besteht der Zweck der Bezugnahme auf Informationen, die relevant sein können, darin, einen möglichst umfassenden Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten zu gewährleisten, ohne dass die Vertragsstaaten jedoch zur ‚Informationssuche‘ ermächtigt werden“ (DBA-IN 26 § 1 cum Protokoll Ziff. 10 Buchst. d). Zum Zeitpunkt der Antragstellung muss eine « vernünftige Möglichkeit » bestehen, dass sich die Informationen als relevant erweisen.

In casu hat die Vorinstanz festgestellt, dass die Begünstigten eines diskretionären und unwiderruflichen Trusts nur eine Anwartschaft haben, solange keine Ausschüttung erfolgt ist. Aus schweizerischer Sicht ist der Begünstigte eines solchen Trusts nicht transparent [steuerlich] auf das Vermögen und die Erträge des Trusts steuerpflichtig. Er ist erst steuerpflichtig, nachdem die Ausschüttung erfolgt ist.

Anne vertritt die Auffassung, dass diese Einschätzung auch im Bereich der Amtshilfe befolgt werden sollte. Sie ist der Meinung, dass die Information bei einem diskretionären und unwiderruflichen Trust nicht relevant ist, solange keine Ausschüttung zugunsten des Begünstigten erfolgt ist.

Das Bundesgericht teilt diese Position nicht.

Die Tatsache, dass es sich um Informationen über einen Trust, also einen Dritten, handelt, steht dem Informationsaustausch nicht entgegen (LAAF 4 III), zumal der Trust selbst [über seinen Trustee] kein Rechtsmittel eingelegt hat und Anne nicht befugt ist, an seiner Stelle zu handeln.

Bezüglich der steuerlichen Behandlung des Trusts ist zu betonen, dass diese Frage indisches Recht betrifft.

Es wäre nicht mit dem Zweck der Amtshilfe vereinbar, wenn die ersuchte Behörde (in diesem Fall die ESTV) selbst die Merkmale des Trusts aus Sicht der indischen Einkommenssteuer prüft. Solche Überprüfungen würden über die Plausibilitätsprüfung hinausgehen, zu der sich die ersuchte Behörde verpflichten muss. Konkret muss die ESTV beispielsweise die Trust Deed nicht analysieren. Sie ist auch nicht verpflichtet, die Rechtsprechung des indischen Obersten Gerichtshofs zu berücksichtigen : Es spielt daher keine Rolle, dass dieses Gericht entschieden hat, dass die Begünstigten von diskretionären und unwiderruflichen Trusts diese nicht vor Erhalt einer Ausschüttung einkommensteuerlich melden müssen.

Das Bundesgericht urteilt daher, dass die von der Bank „B.“ vorgelegten Unterlagen wahrscheinlich relevant sind. Es wird Anne nun obliegen, ihre Position vor den zuständigen indischen Instanzen zu verteidigen.

Erlauben Sie uns vier Anmerkungen.

  1. Dieser Fall ist insofern interessant, als er eine im Banken- und Finanzwesen relativ verbreitete Struktur betrifft : Ein Konto wird von einer einem Trust zugrunde liegenden Gesellschaft geführt. Das Ergebnis ist jedoch nicht überraschend. Wie Prof. Oberson vertreten wir seit dem 13. März 2009 die Auffassung, dass Art. 26 § 5 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (OECD-MA) verhindert, dass die Begünstigten eines Trusts, auch wenn dieser diskretionär und unwiderruflich ist, sich auf diese Struktur berufen können, um sich dem Informationsaustausch zu widersetzen. Man kann sich allenfalls wundern, dass das Bundesgericht diese Bestimmung nicht zur Untermauerung seiner Argumentation heranzieht.
  2. Praktiker wissen, dass es heikel ist, das Recht des ersuchenden Staates als Argument gegen den Austausch zu verwenden. Die Lehre schließt diese Möglichkeit nicht ganz aus. Das Bundesgericht lässt die Frage offen, da die durchzuführenden Überprüfungen im vorliegenden Fall über das hinausgehen würden, was von einer prima facie-Kontrolle erwartet werden kann.
  3. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung gerade in einem anderen Fall bestätigt (2C_918/2020 vom 28. Dezember 2021). Diese jüngste Entscheidung enthält weitere Ausführungen zu den Arten von Trusts – widerruflich oder unwiderruflich (fixed interest und diskretionär). Interessierte sind eingeladen, sich zu informieren.
  4. Schließlich veranschaulicht dieses Urteil einmal mehr die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Identifizierung des Steuerpflichtigen und Zuordnung des Einkommens : Art. 26 OECD-MA stellt das Problem der Identifizierung des Steuerpflichtigen, während Art. 10 (Dividenden), 11 (Zinsen) und 12 (Lizenzgebühren) OECD-MA das Problem der Zuordnung des Einkommens darstellen. Konkret muss die Bank, die ein Konto für eine Underlying Company eines Trusts eröffnet, alle an dieser Rechtsbeziehung beteiligten Parteien (Settlor, Protector, Trustee, Begünstigte) anhand der T-Formel identifizieren. Die Pflicht zur Identifizierung dieser Akteure im Hinblick auf die Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche bedeutet jedoch nicht, dass jedem von ihnen das Vermögen oder die Erträge des Trusts aus steuerlicher Sicht zugewiesen werden.