Insiderhandel
Front Running und der Test des vernünftigen Anlegers

Yannick Caballero Cuevas
(Übersetzt von DeepL)
Stellen die eigenen Pläne und Absichten eines Fondsverwalters Insiderinformationen dar, wenn er Front Running betreibt ? Diese Frage beantwortet die Strafkammer des Bundesstrafgerichts in einem Fall, in dem es um einen ehemaligen Verwalter von Vorsorgegeldern der zweiten Säule für Angestellte des Kantons St. Gallen ging.
Im Juli 2022 reichte die Bundesanwaltschaft (BA) beim Bundesstrafgericht eine Anklageschrift gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Finanzdepartements des Kantons St. Gallen (von 2003 bis 2014) und der Pensionskasse des Kantons St. Gallen (von 2014 bis 2018) ein. In ihrer Anklageschrift wirft die Bundesanwaltschaft dem ehemaligen Mitarbeiter unter anderem vor, vom 1. Mai 2013 bis zum 30. August 2018 seine privaten Transaktionen mit den Transaktionen, die er für seine Arbeitgeber tätigte, koordiniert und damit Front Running betrieben zu haben.
Obwohl das Urteil in vielerlei Hinsicht von Interesse ist, werden wir uns im Folgenden ausschließlich auf die Fragen zum Insiderhandel konzentrieren. Es ist nützlich, daran zu erinnern, dass Art. 40 aBEHG den Straftatbestand des Insiderhandels bis zum 31. Dezember 2015 regelte. Darüber hinaus ist es wichtig zu beachten, dass Transaktionen, die vor dem 31. Dezember 2013 getätigt wurden, aufgrund der alten Verjährungsfrist von sieben Jahren verjährt sind. Seit dem 1. Januar 2014 beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre.
Art. 154 Abs. 1 Let. a FinfraG verbietet die Ausnutzung vertraulicher Informationen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren mit dem Ziel, für sich selbst oder einen Dritten einen finanziellen Vorteil zu erlangen. Dies zielt insbesondere auf den Primärinsider ab, der Wertpapiere auf der Grundlage von Insiderinformationen kauft oder verkauft. Dazu muss ein Zusammenhang zwischen der Position des Primärinsiders und der Kenntnisnahme der Insiderinformation bestehen, d. h. die konkrete Aktivität des Täters muss zur Kenntnisnahme einer solchen Information führen. Aufgrund seiner Tätigkeit war es wahrscheinlich, dass der Autor Kenntnis von Insiderinformationen erlangte.
Um festzustellen, ob die Kenntnis der Transaktionen unter die Definition von Insiderinformationen fällt (vgl. Art. 2 lit. j FinfraG), geht das Bundesstrafgericht in zwei Schritten vor.
Zunächst stellt das Bundesstrafgericht klar, dass in einem klassischen Front Running-Fall der Manager die Information über eine zukünftige Transaktion von einem Dritten erhält. Im vorliegenden Fall ist das Front Running atypisch, da die Anlageentscheidungen vom Manager selbst getroffen wurden und die Informationen somit intern waren. Es stellt sich daher die Frage, ob die eigenen Pläne und Absichten des Primärinsiders Insiderinformationen darstellen. Das Bundesstrafgericht weist darauf hin, dass diese Frage in der Lehre nach wie vor umstritten ist und von der Rechtsprechung nicht geklärt wurde. Trotz dieser atypischen Konstellation kommt es zu dem Schluss, dass der Manager als Vertreter der Fonds handelte und somit die Transaktionen für einen Dritten durchführte. Daher stellten die Investitionsentscheidungen des Managers für die Fonds vertrauliche Informationen dar, selbst wenn sie das Ergebnis seiner eigenen Pläne und Absichten waren.
Anschließend wird geprüft, ob die Offenlegung der Informationen den Kurs der Wertpapiere erheblich beeinflussen würde. Diese Prüfung beruht auf einem objektiven Ex-ante-Ansatz. Es ist zu fragen, ob ein vernünftiger Investor die Informationen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit als Grundlage für seine Investitionsentscheidung verwenden würde (reasonable investor test). Bei unsicheren Fakten wird die Analyse durch den probability magnitude test ergänzt, der vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten im Fall Basic, Inc. v. Levinson entwickelt wurde (insbesondere Seite 485 U.S. 238). Im vorliegenden Fall betrug die Wahrscheinlichkeit, dass die Transaktionen der Fonds durchgeführt werden, 100 %.
Schließlich schätzt das Bundesstrafgericht die erwartete Kursschwankung, bei der ein vernünftiger Anleger die Insiderinformationen bei seinen Investitionsentscheidungen berücksichtigen würde. Aufgrund der Art der Transaktionen des Vermögensverwalters legt es den Schwellenwert auf 2,5 % fest. Einerseits berücksichtigt er den Wert, ab dem eine beträchtliche Tages- oder Wochenrendite erzielt werden kann. Zum anderen bewertet er, ab welchem niedrigeren Wert der erwartete Gewinn für einen vernünftigen Anleger nicht als ausreichender Grund erscheint, Insiderinformationen in seine Investitionsentscheidung einzubeziehen.
Nach Auswertung des vom Bundesstrafgericht in Auftrag gegebenen Gutachtens kommt dieses zu dem Schluss, dass der Angeklagte 44 Transaktionen mit einem erwarteten Kursanstieg von 2,5 % infolge der späteren Käufe durch die Fonds durchgeführt hat. Fünf Transaktionen endeten jedoch mit einem Verlust, und bei zehn weiteren Transaktionen hatten die inkriminierten Käufe keinen oder einen negativen Einfluss auf den erwirtschafteten Gewinn. Somit belief sich der realisierte Gewinn auf CHF 175’758.80, so dass der Angeklagte des Insiderhandels für schuldig befunden wurde. Die qualifizierte Form der Straftat wird jedoch ausgeschlossen, da der geldwerte Vorteil weniger als CHF 1 Million betrug. Zudem spricht das Bundesstrafgericht ihn im Sinne von Art. 314 und 305bis Ziff. 1 StGB schuldig.
Zusammenfassend stellt das Bundesstrafgericht die doktrinäre Kontroverse in Bezug auf Front Running Handlungen klar, wenn diese auf eigenen Plänen oder Absichten des primären Insiders beruhen. Art. 154 FinfraG kann – zu Recht – herangezogen werden, wenn der Täter als Vertreter eines Dritten handelt. Zu beachten ist, dass beim Berufungsgericht des Bundesstrafgerichts eine Beschwerde eingereicht wurde. Der Fall wird also weiterverfolgt.