Ungetreue Geschäftsbesorgung
Untreue gegenüber der Unternehmensgruppe ?

Romain Dupuis
(Übersetzt von DeepL)
In einem Urteil 6B_103/2021 vom 26. April 2021 befasst sich das Bundesgericht erneut mit der Klagebefugnis der Holding einer Unternehmensgruppe, deren Tochtergesellschaft Opfer von Handlungen ungetreuer Geschäftsführung (Art. 158 StGB) wurde.
Der Sachverhalt ist relativ komplex, lässt sich aber wie folgt zusammenfassen : Die A SA ist die Genfer Holding der im Pharmabereich tätigen Unternehmensgruppe A. C und E sind Aktionäre und Verwaltungsratsmitglieder.
Die Holding ihrerseits hält die ebenfalls in Genf ansässige B SA und die F SARL, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach russischem Recht.
Im Jahr 2014 beschließt die A-Gruppe, über ihre russische Tochtergesellschaft eine Partnerschaft mit der russischen Staatsgruppe H einzugehen, um ihre Aktivitäten in Russland zu verstärken. C überzeugt E, die Verhandlungen seinem Sohn anzuvertrauen, da dieser gute Verbindungen im Land hat.
F SARL ermächtigt somit den Sohn von C, ihn bei den Verhandlungen zu vertreten.
Es wird vorgeschlagen, ein Joint Venture zu gründen. Der Verwaltungsrat der Holding gibt seine Zustimmung und die endgültige Vereinbarung steht kurz vor der Unterzeichnung. Doch die Unterzeichnungssitzung wird ohne Erklärung abgesagt.
Einige Monate später stellen die Holding und ihre Schweizer Tochtergesellschaft B SA fest, dass das Joint Venture zwar im russischen Handelsregister eingetragen wurde, aber es stellt sich heraus, dass seine Aktionäre die Gruppe H und eine dritte Gesellschaft sind, die dem Sohn von C gehört.
Kurz gesagt, die Gruppe A wurde bei dem geplanten Projekt durch einen Dritten ersetzt, was zu potenziell erheblichen finanziellen Verlusten für die Schweizer Unternehmen der Gruppe führte, denen die Gewinne der russischen Tochtergesellschaft dank des Joint Ventures zugutekommen sollten.
Die Holding und die Schweizer Tochtergesellschaft B SA erstatten Anzeige gegen C und seinen Sohn wegen ungetreuer Geschäftsführung. Die Genfer Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein, aber die Klägerinnen legen beim Gerichtshof Berufung ein. Dieser bestätigt die Einstellung, da die Zuständigkeit der Schweizer Behörden verneint werden müsse und in jedem Fall kein hinreichender Verdacht auf ungetreue Geschäftsführung bestehe.
Das mit einer Beschwerde in Strafsachen befasste BGer prüft die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerinnen.
Es erinnert daran, dass nur derjenige als Geschädigter – und damit als Kläger – gelten kann, dessen Rechte durch eine Straftat unmittelbar beeinträchtigt wurden (Art. 115 Abs. 1 StPO), was Folgeschäden ausschließt. Wenn also eine Straftat zum Nachteil des Vermögens einer juristischen Person begangen wird, erleidet grundsätzlich nur diese einen Schaden, nicht aber ihre Aktionäre.
Die Klägerinnen argumentieren jedoch unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, dass bei einer geplanten Straftat der ungetreuen Geschäftsführung zu analysieren sei, gegenüber welcher(n) Einheit(en) der Angeklagte eine Geschäftsführungspflicht hatte, da im Falle einer Verletzung diese Einheiten die Eigenschaft der Geschädigten haben müssen.
Sie erklären in diesem Zusammenhang, dass die strategischen Entscheidungen bezüglich der russischen Tochtergesellschaft von der Schweiz aus getroffen wurden, dass diese in Russland nur eine „administrative Relaisstation“ war und dass ihre Gewinne vollständig an die Holding weitergeleitet wurden, so dass die Treuepflicht der Geschäftsführer auf den gesamten A-Konzern ausgedehnt werden musste.
Das BGer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Es erinnert daran, dass der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nur dann verpflichtet ist, die Interessen der Muttergesellschaft zu wahren, wenn sich eine solche Verpflichtung aus der Organisation und dem Zweck der Tochtergesellschaft ergibt (BGE 109 IV 111). Dies setzt voraus, dass die Tochtergesellschaft der einheitlichen Leitung der Muttergesellschaft untersteht (Urteil 6B_586/2011 vom 7. Februar 2012).
Das BGer. leitet daraus ab, dass der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft seine Treuepflicht nur dann verletzt, wenn seine Handlungen direkt und ausschließlich die Interessen der Muttergesellschaft verletzen, z. B. wenn er Gelder unterschlägt, die dieser hätten zufließen sollen.
Im vorliegenden Fall erkennt das BGer. an, dass die russische Tochtergesellschaft vollständig im Besitz der A SA war. Es stellt jedoch fest, dass der Vertragsentwurf mit der H-Gruppe keine Erwähnung der A SA oder der B SA enthält und keine Ansprüche dieser Gesellschaften auf die Gewinne des Joint Ventures vorsieht. Es merkt weiter an, dass das im Verfahren vorgelegte private Gutachten den Schaden als fehlende Dividenden aus den zukünftigen Gewinnen des Joint Ventures und die Nichtsteigerung des Werts der Tochtergesellschaft beschreibt.
Das BGer kommt zu Recht zu dem Schluss, dass die Klägerinnen mit einer solchen Argumentation nur einen Schaden geltend machen, der ihnen als Aktionärin entstanden ist, d. h. einen Folgeschaden. Sie sind daher nicht berechtigt, gegen das kantonale Urteil Berufung einzulegen.
Aus diesem Urteil geht hervor, dass das Bundesgericht an einem strengen Ansatz in Bezug auf die Klagebefugnis einer Holding festhalten will : Nur wenn diese ausschließlich und unmittelbar geschädigt wird, kann sie sich auf die Klagebefugnis berufen. Beschwert sie sich hingegen nur über mittelbare Schäden, wie die Nichtsteigerung des Wertes ihrer Tochtergesellschaft oder die Verringerung der erwarteten Dividenden, kann sie nicht als unmittelbar Geschädigte angesehen werden.
Der Leser wird sich fragen, warum die A-Gruppe keine Klage über ihre russische Tochtergesellschaft eingereicht hat. Aus dem Urteil geht hervor, dass diese 2019 aus ungeklärten Gründen liquidiert wurde. Zweifellos gab es hier verschiedene Hindernisse für die Einreichung einer Klage. Darüber hinaus wäre die Zuständigkeit der Schweizer Behörden, die vom Gerichtshof verneint wurde, noch schwieriger nachzuweisen gewesen.
Wenn die Lösung, zu der das Bundesgericht gelangt, in Bezug auf den Sohn von C, der keine Treuepflicht gegenüber der Muttergesellschaft hatte, unserer Meinung nach vorbehaltlos zu befürworten ist, so stellt sich die Frage, ob sie in Bezug auf C, der Geschäftsführer der Holding war und ihr daher Treue schuldete, nicht zu streng ist. Wie dem auch sei, auch wenn dieser undifferenzierte Ansatz streng erscheint, entspricht die Lösung dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der nur einen mittelbaren Schaden erleidet, nicht geschädigt wird.