Organisation der Bundesverwaltung
Wird die Unabhängigkeit der FINMA durch die Aufsicht des Bundesrates untergraben ?

Teymour Brander
(Übersetzt von DeepL)
An seiner Sitzung vom 11. März 2022 verabschiedete der Bundesrat eine Revision der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV). Ein neuer Artikel 24a RVOV wurde verabschiedet, um die Aufgaben des Bundesrates bei der „Aufsicht und Steuerung“ der verselbstständigten Einheiten der Bundesverwaltung zu präzisieren.
Kann diese Revision – die am 1. Juli 2022 in Kraft treten wird – die Unabhängigkeit der FINMA beeinträchtigen ?
Der aktuelle Rahmen, der die Aufsicht über die vom Bundesrat verselbständigten Einheiten regelt, sieht im Wesentlichen wie folgt aus. Gemäss Art. 8 Abs. 4 RVOG ist der Bundesrat verpflichtet, dezentralisierte Verwaltungseinheiten zu beaufsichtigen. Art. 8 Abs. 5 RVOG erlaubt es dem Bundesrat insbesondere, die strategischen Ziele der betreffenden Einheiten festzulegen. Bezeichnenderweise verweist Art. 24 Abs. 3 RVOV hinsichtlich des Zwecks, des Umfangs und der Grundsätze dieser Aufsicht auf die Spezialgesetzgebung. Die Aufsicht hängt in erster Linie vom Grad der Autonomie des betreffenden Organs ab.
Die verwendete gesetzliche Terminologie, die darauf hindeutet, dass die Autonomie der betreffenden Einrichtungen erst nach ihrer Gründung eingetreten ist („autonom geworden“), ist von begrenzter Bedeutung. Die in diesem Beitrag behandelte Einheit – die FINMA – ist in der Tat dezentralisiert und seit ihrer Gründung autonom, wie wir weiter unten sehen werden.
Kommen wir zurück zur verabschiedeten Revision. Der neue Art. 24a RVOV lässt sich wie folgt aufschlüsseln :
Abs. 1 erinnert an die Gesamtverantwortung des Bundesrates für die autonomen Einheiten.
Die Absätze 2 bis 4 regeln die Verteilung der Kompetenzen und Aufgaben zwischen und innerhalb der Departemente.
Schliesslich wird in Abs. 5 beauftragt die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) mit der Erarbeitung und Weiterentwicklung der Grundlagen für die Aufsicht und Steuerung über die verselbständigten Einheiten. Der Gesetzestext erwähnt in diesem Zusammenhang das Konzept der „Public Corporate Governance“ (öffentliche Unternehmensführung).
Gemäss dem Kommentar der EFV wurde Art. 24a RVOV erlassen, um „die Aufgabenteilung zwischen den zuständigen Departementen und dem EFD (EFV) zu regeln“, und „übernimmt weitgehend die bisherige Praxis“ (vgl. Kommentar 24a RVOV, §1.1, S. 2). Bezüglich der Erarbeitung und Weiterentwicklung der Grundlagen für die Aufsicht und Steuerung durch die EFV hält der Kommentar fest, dass der diesbezügliche Art. 24a Abs. 5 RVOV „eine […] rechtliche Grundlage für den heutigen Zustand [schafft]“ und somit keine neuen Aufgaben der EFV schaffen würde (vgl. Kommentar 24a RVOV, §2.6, S. 8). Mit anderen Worten : Die verabschiedete Revision würde die Kompetenzen des Bundesrates in Bezug auf die Aufsicht und Steuerung der autonomen Einheiten nicht erweitern.
Die Revision enthält auch einen neuen Anhang 3. Dieser übernimmt die Liste der autonomen Einheiten aus Anhang 1 RVOV und enthält folgende neue Informationen : (i) die Angabe der verantwortlichen Verwaltungseinheit innerhalb des Departements und (ii) die Einheiten, für die eine gemeinsame Aufsicht mit der EFV vorgesehen ist.
Welche Konsequenzen ergeben sich für die Aufsicht der FINMA ? Wie aus den Anhängen 1 und 3 RVOV hervorgeht, ist die FINMA eine dezentralisierte und autonome Einheit. Sie untersteht daher der Aufsicht des Bundesrates. Die FINMA übt ihre Tätigkeit jedoch seit ihrer Gründung autonom und unabhängig aus – dieser Grundsatz ist in Art. 21 Abs. 1 FINMAG verankert. Die Errichtung der FINMA als selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt (Art. 5 Abs. 1 FINMAG) diente genau diesem Zweck (vgl. BBl 2006 2741, Ziff. 1.2.3). In der erwähnten Botschaft des Bundesrates wird betont, dass „die Finanzmarktaufsicht zur angemessenen Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Pflichten gegenüber der politischen Macht funktional autonom sein muss“ (vgl. BBl 2006 2741, Ziff. 1.2.2).
Die Auslegung von Art. 24a Abs. 5 RVOV, der die EFV beauftragt, die „Grundlagen für die Aufsicht und Steuerung“ der verselbständigten Einheiten – also a priori auch der FINMA – zu erarbeiten, sollte sich unseres Erachtens einerseits auf Art. 24a Abs. 3 RVOV, der die Spezialgesetzgebung vorbehält, und andererseits auf den Grundsatz der Normenhierarchie stützen. Die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz bestätigt dies, sei es im Prozess der Genehmigung der strategischen Ziele der FINMA (Art. 14 FINMAV) oder in der Abstimmung und Koordination, die bei den internationalen Aktivitäten dieser Behörde zum Tragen kommt (Art. 3 und 4 FINMAV). Diese Entwicklungen, die durch die Erläuterungen der EFV noch verstärkt werden, sollten folglich eine Umsetzung der RVOV-Revision unter Wahrung der Unabhängigkeit der FINMA unterstützen.