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Ungetreue Geschäftsbesorgung

Retrozessionen (wieder einmal) im Blickpunkt des Strafrichters.

(Übersetzt von DeepL)

Macht sich ein Angestellter, der es unterlässt, den Preis für Arbeiten, die an einen Dritten vergeben werden, nach unten zu verhandeln, und stattdessen Retrozessionen auf den an diesen Dritten gezahlten Preis erhält, der ungetreuen Geschäftsführung gegenüber seinem Arbeitgeber im Sinne von Art. 158 StGB schuldig ? Das Bundesgericht bejaht dies in einem Urteil 6B_280/2022, 6B_287/2022 vom 14. April 2023.

Der Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen : Zwischen 2003 und 2012 setzten zwei Angestellte zusammen mit einem Dritten eine Masche um, die darin bestand, die Vorrechte der Angestellten zu missbrauchen, um sicherzustellen, dass der Dritte regelmässig den Zuschlag für Arbeiten erhielt und dafür Kickbacks in Höhe von CHF 99’600 bzw. CHF 157’700 erhielt.

Die beiden Angestellten wurden von den beiden kantonalen Instanzen im Kanton Waadt verurteilt. Beide legen beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen ein.

Gemäss Art. 158 StGB macht sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig, wer aufgrund eines Gesetzes, eines amtlichen Auftrags oder eines Rechtsgeschäfts verpflichtet ist, die Vermögensinteressen eines anderen zu verwalten oder über deren Verwaltung zu wachen, und wer in Verletzung seiner Pflichten diese Interessen schädigt oder deren Schädigung zulässt. Es gibt fünf Tatbestandsmerkmale : (i) eine Stellung als Geschäftsführer, (ii) eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten, (iii) ein Schaden, (iv) ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Geschäftsführungspflichten und dem Schaden und (v) Vorsatz.

Das Bundesgericht macht sich die Argumentation des kantonalen Gerichts zu eigen und hält fest, dass die Retrozessionen den Angeklagten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang mit den von ihrem Arbeitgeber bezahlten Arbeitsvergaben gezahlt wurden. Insofern unterlagen die Beschuldigten also der sich aus Art. 321b Abs. 1 OR ergebenden Pflicht, Rechenschaft abzulegen und ihrem Arbeitgeber die von einem Dritten gezahlten Beträge zurückzugeben. Insofern war die Rechtsposition der Beschuldigten ähnlich wie die eines Beauftragten, der seinem Auftraggeber über alles, was er im Rahmen des Mandats erhält, Rechenschaft ablegen muss (Art. 400 Abs. 1 OR ; siehe dazu die Rechtsprechungssaga zum Mandatsrecht und zu Retrozessionen, cdbf.ch/1145/). Da die Beschuldigten es versäumt hatten, ihren Arbeitgeber über die von ihnen erhaltenen Beträge zu informieren, hatten sie den finanziellen Interessen ihres Arbeitgebers geschadet und ihre Geschäftsführungspflicht verletzt.

Was den Schaden betrifft, so erinnert unser Hohes Gericht an die klassische Definition des Schadens, d. h. eine Verminderung der Aktiva, eine Erhöhung der Passiva, eine Nichtverminderung der Passiva oder eine Nichtvermehrung der Aktiva. Im vorliegenden Fall haben es die Angestellten absichtlich unterlassen, die Verträge nach unten auszuhandeln, obwohl sie gemäss den von den kantonalen Instanzen angenommenen Fakten in der Lage gewesen wären, günstigere Tarife zu erhalten, d.h. einen Rabatt von mindestens 10 % auf die Leistungen des Dritten. Die Angeklagten hatten jedoch mit dem Dritten eine Vereinbarung getroffen, wonach der Betrag, der diesem Rabatt entsprach, ihnen und nicht dem Unternehmen, das sie beschäftigte, zustehen würde.

Es ist zu betonen, dass die Leistungen des Dritten nicht mit einem über dem Marktpreis liegenden Betrag vergütet wurden. Abgesehen davon hätten die Angestellten, da der Dritte den Angeklagten Retrozessionen zahlen konnte und gleichzeitig ausreichende Gewinnspannen für den Betrieb seines Unternehmens behielt, zugunsten ihres Arbeitgebers einen günstigeren Preis erzielen können. Der Schaden besteht somit nicht in einem vom Arbeitgeber an den Dritten gezahlten Mehrpreis gegenüber dem Marktpreis, sondern in einem „Überschuss“ gegenüber dem Preis, der hätte erzielt werden können, wenn die Beschuldigten im Interesse ihres Arbeitgebers verhandelt und sich geweigert hätten, Retrozessionen zu beziehen.

Insgesamt kommt das Bundesgericht zu dem Schluss, dass sich die Angeklagten der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig gemacht haben, da sie ihrem Arbeitgeber einen Schaden zugefügt haben, indem sie es absichtlich unterlassen haben, günstigere Tarife auszuhandeln.

Zudem hätten sich die Angeklagten wahrscheinlich auch der passiven Privatbestechung (Art. 322novies StGB) schuldig gemacht, wenn diese Bestimmung, die am 1. Juli 2016 in Kraft getreten ist, zum Zeitpunkt der Tat in Kraft gewesen wäre. Zu beachten ist, dass das Bundesgericht in seinem Urteil nicht auf Art. 4a UWG eingeht, der Privatbestechung verbietet und zum Zeitpunkt des Sachverhalts mit einer strafrechtlichen Sanktion verbunden war (die 2016 mit dem Inkrafttreten der Normen des StGB, die Privatbestechung unter Strafe stellen, abgeschafft wurde).

Das Bundesgericht geht nicht auf die Frage ein, ob wie im Auftragsrecht (vgl. BGE 144 IV 294 ; kommentiert in cdbf.ch/1030/) bereits das Verschweigen eines ungerechtfertigten Vorteils durch den Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 StGB erfüllen kann. Diese Frage ist wahrscheinlich zu bejahen, da die Rechenschaftspflicht des Arbeitnehmers nach Art. 321b Abs. 1 OR derjenigen des Beauftragten nach Art. 400 Abs. 1 OR ähnelt.

Im Übrigen veranschaulicht diese Rechtsprechung in Bezug auf die Finanzindustrie zwei Feststellungen :

Die Problematik der Retrozessionen, die ihren Ursprung im Zivilrecht hat und sich in den Bereich des Regulierungsrechts (Art. 26 FinfraG und Art. 29 FinfraV) verlagert hat, ist heute ein Thema, das auch vom Strafrecht aufgegriffen wird.
Im Rahmen von Art. 158 StGB ist der Nachweis, dass die Finanzdienstleistung oder das Finanzprodukt, das der Finanzintermediär für seinen Kunden auswählt (z.B. die Anteilsklasse einer kollektiven Kapitalanlage, in die die Vermögenswerte des Kunden investiert werden), „marktkonform“ ist, nicht unbedingt ausreichend. Vielmehr muss gezeigt werden, dass es keine für den Kunden wirtschaftlich günstigere Alternative gab, die ohne Retrozessionen hätte gewählt werden können.