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Jurisprudence

Betrügerische Bankaufträge

Der Richter muss die gesamten Umstände prüfen

Das Bundesgericht hat kürzlich ein neues Urteil in Bezug auf betrügerische Bankaufträge gefällt, in dem es einen kantonalen Entscheid aufhob, weil dieser sich nicht zu allen vom Kläger aufgeworfenen Fragen geäussert hatte (Urteil 4A_135/2023 vom 16. Oktober 2024). Obwohl dieses Urteil vor allem zivilprozessuale Fragen betrifft, ist es dennoch ein nützlicher Hinweis auf den Umfang der Prüfung, die das Gericht bei betrügerischen Aufträgen vornehmen muss. Im Jahr 2007 eröffnete der Kunde ein Konto bei einer Schweizer Bank und erteilte seinem[...]

Siegelung

Geschäfts- und Bankgeheimnis reichen nicht (mehr) aus

In unserem letzten Kommentar zu einem Urteil des Bundesgerichts in Sachen Versiegelung (7B_313/2024, zur Veröffentlichung bestimmt) wiesen wir darauf hin, dass „das Bankgeheimnis keinen Grund mehr für eine Versiegelung darstellt, wenn es von einem Dritten geltend gemacht wird, d. h. einer Person, die im Strafverfahren nicht benachrichtigt wurde“ (Villard, cdbf.ch/1383). Nach dem zur Veröffentlichung bestimmten und hier besprochenen Urteil 7B_976/2024 muss der zweite Teil der Aussage gestrichen werden: Das Bankgeheimnis ist kein Versiegelungsgrund mehr. Das Urteil 7B_976/2024 hatte zwar nicht[...]

Betrügerische Bankaufträge

Der unaufmerksame Anwalt ist verantwortlich

Ein Anwalt für Bankrecht, der mit seinem Mandanten vereinbart, dass er an seiner Stelle die Bankkorrespondenz entgegennimmt, sollte die Ungewöhnlichkeit der betrügerischen Aufträge erkennen. Andernfalls kann er vertraglich haftbar gemacht werden und muss den Mandanten entschädigen (4A_269/2024). Ein auf Bankrecht spezialisierter Genfer Anwalt gründet für einen französischen Geschäftsmann eine panamaische Gesellschaft und kümmert sich um deren Verwaltung. Die Gesellschaft eröffnet ein Bankkonto in Genf. Der Vertrag sieht vor, dass die Korrespondenz an den Anwalt und den externen Geschäftsführer, nicht aber[...]

Grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen

Zuständigkeit des französischen Gerichts ungeachtet einer Gerichtsstandsklausel

Am 18. September 2024 erließ die erste Zivilkammer der französischen Cour de Cassation ein Urteil Nr. 23-13.732, das sich mit dem Begriff derauf einen Mitgliedstaat gerichteten Tätigkeit im Sinne vonArt. 17 Abs. 1 Buchst. c der Brüssel-Ia-Verordnung (Brüssel-Ia-VO ) im Zusammenhang mit Bankdienstleistungen befasst, die eine libanesische Bank für eine in Frankreich ansässige Kundin erbracht hat. Diese Entscheidung bestätigt, dass Kunden mit Sitz in der EU, die den Status eines „Verbrauchers“ genießen, die Gerichte ihres Wohnsitzes anrufen können, wenn die[...]

Siegelung

Das Bankgeheimnis reicht nicht mehr aus

Seit der Revision der Strafprozessordnung, die am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, stellt das Bankgeheimnis keinen Grund mehr für eine Versiegelung dar, wenn es von einem Dritten, d. h. einer Person, die im Strafverfahren nicht benachrichtigt wurde, geltend gemacht wird. Dies entschied das Bundesgericht in einem Urteil 7B_313/2024 vom 24. September 2024, das zur Veröffentlichung bestimmt ist. Die Bundesanwaltschaft führt ein Strafverfahren wegen Betrugs und Geldwäscherei gegen verschiedene natürliche Personen. In diesem Rahmen richtet sie am 12. April[...]

Sanktionen

Der Weg zum klaren Fall ist versperrt, um eine Zahlung zu entsperren

Mit Urteil 4A_394/2024 vom 18. September 2024 bestätigt das Bundesgericht die Unzulässigkeit eines klaren Antrags auf Belastung des Kontos eines Kunden, gegen den Sanktionen verhängt wurden, um die Honorare seines Anwalts zu bezahlen. Ein Kunde besitzt mehrere Bankkonten in der Schweiz, unter anderem bei einer Bank, deren Konzern auch in Europa und im Vereinigten Königreich tätig ist. Der Kunde ist Gegenstand von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine und seine Vermögenswerte wurden von der Schweiz, dem Vereinigten[...]

Verwaltung von Vermögen

Ein Stiftungsrat mit „extremer Passivität“ ist zivilrechtlich haftbar

Die Mitglieder eines Vorsorgestiftungsrats müssen die Anlagestrategie ausarbeiten sowie deren Umsetzung organisieren und überwachen. Andernfalls, insbesondere wenn sie ein Ermessensmandat ohne jegliche Anlagestrategie und ohne Überwachung des Verwalters abschließen, machen sich die Mitglieder zivilrechtlich haftbar (9C_496/2022, 9C_503/2022, 9C_504/2022, 9C_505/2022). Eine Vorsorgestiftung zugunsten eines Freiburger Pflegeheims beschliesst, einen Vertrag über die Verwaltung mit Ermessensspielraum mit einer Vermögensverwaltungsgesellschaft abzuschliessen. Diese gehört dem Schwiegersohn des ehemaligen Heimleiters und wird von diesem geleitet. Die Vermögenswerte der Stiftung werden in Unterfonds eines Umbrella-Fonds investiert, den[...]

Indirektes Naming und Shaming

Bundesgericht bestätigt die Mitteilung der FINMA

Die FINMA darf eine Pressemitteilung über den Abschluss eines Enforcementverfahrens gegen eine namentlich genannte beaufsichtigte Person veröffentlichen, insbesondere um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie gegenüber Verletzungen des Finanzmarktrechts nicht untätig ist (2C_682/2023 zur Veröffentlichung bestimmt). Die FINMA schliesst ein Enforcementverfahren gegen eine Bank ab, die die Geldwäschereivorschriften schwerwiegend verletzt hat. Einige Wochen später informierte die Aufsichtsbehörde die Bank über ihre Absicht, sechs Tage später eine Pressemitteilung zu diesem Verfahren zu veröffentlichen. In dem Entwurf der Pressemitteilung wird die Bank[...]

Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs

Ein Zinssatz von 24 % verstößt nicht gegen den schweizerischen Ordre public.

Im Urteil 4A_57/2024 hält das Bundesgericht fest, dass ein Schiedsspruch, der den Schuldner eines nicht zurückgezahlten Darlehens zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 24% anweist, nicht gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz im Sinne von Art. V Ziff. 2 lit. b des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (CNY). Zwei chinesische Unternehmen hatten einen Darlehensvertrag mit einer Laufzeit von zwei Monaten und einem Zinssatz von 8% pro Jahr abgeschlossen. Dieser Zinssatz sollte auf 15 %[...]

Unternehmensverantwortung

Die Rechtsnachfolge in Strafsachen

Die Frage war von der Lehre schon lange gestellt worden: Was geschieht mit einer Strafverfolgung, die sich gegen ein Unternehmen richtet, wenn das Unternehmen auf die eine oder andere Weise untergeht? Der Appellationshof des Bundesstrafgerichts befasste sich in einer Entscheidung vom 19. August 2024 (NR.2024.18) mit dieser Problematik. Er entschied, dass die Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes - also eine Absorptionsfusion im Sinne vonArt. 3 Abs. 1 Bst. a FusG - nicht zum Erlöschen der gegen das erste Unternehmen[...]

Retrozessionen und execution only

Umfang der Informationen für einen vorzeitigen Verzicht

Im Urteil ACJC/1002/2024 vom 19. August 2024 vertritt der Genfer Gerichtshof die Auffassung, dass die in der Lehre umstrittene und in divergierenden kantonalen Entscheidungen behandelte Frage der Pflicht zur Rückerstattung von Retrozessionen in einem execution only-Verhältnis aufgrund eines gültigen Verzichts des Kunden unentschieden bleiben kann. Ab 2008 sind ein Kunde und eine Genfer Bank durch einen Vertrag über eine einfache Bankeinlage (execution only) miteinander verbunden. Die Bank ändert während des Vertragsverhältnisses mehrmals ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Seit 2009 sehen diese insbesondere[...]

Fristlose Entlassung

Ein Bankdirektor versucht, sein Team abzuwerben

Das Bundesgericht validiert die fristlose Entlassung eines Direktors einer Tessiner Bank, die ursprünglich aufgrund eines bloßen Verdachts ausgesprochen wurde, und stützt sich dabei auf den Formalismus der Verfahrensregeln (Urteil 4A_399/2022 vom 3. Juni 2024). Der Arbeitnehmer arbeitet seit Juni 2008 als Investment Manager der Niederlassung einer Bank in Lugano und ab Juni 2013 als deren Leiter. Zu diesem Zeitpunkt vereinbaren die Parteien unter anderem ein Gehalt von CHF 400'000 pro Jahr mit einer Mindestanstellungsdauer bis zum 30. Juni 2016 und[...]

Interne Untersuchungen

Die asymmetrischen Konturen des Anwaltsgeheimnisses

Die Urteile des Bundesgerichts 7B_158/2023 und 7B_874/2023 vom 6. August 2024 wurden in der gleichen Sache von der 2. strafrechtliche Abteilung im Zusammenhang mit einem Siegelverfahren gefällt. Das erste, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil scheint uns im Gegensatz zum zweiten überzeugend. Ausnahmsweise - und das ist wichtig - wurde das Strafverfahren nicht wegen Geldwäscherei, sondern wegen Verstosses gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eröffnet. Kurz gesagt verdächtigt die Zürcher Staatsanwaltschaft eine Person, von der man versteht, dass sie ein Mitarbeiter[...]

Ausbleibende Rückzahlung

Mehrere Optionen, die der Bank zur Verfügung stehen

Im Urteil ACJC/201/2024 vom 13. Februar 2024 bestätigt der Genfer Gerichtshof die Gültigkeit einer Klausel zum Ausschluss des Vorteils der realen Diskussion (beneficium excussionis realis), nach der die Bank frei wählen kann, ob sie gegen den Kunden persönlich vorgeht (und damit sein gesamtes Vermögen angreift) oder die verpfändeten Vermögenswerte auf seinem Bankkonto verwertet. Die Fakten sind wie folgt: Am 4. Mai 2013 schließt ein saudi-arabischer Kunde eine Rahmenvereinbarung über Kreditfazilitäten und eine Verpfändungsurkunde ab, in der er alle seine bei[...]

Aufsicht über Versicherungsunternehmen

Comparis muss als Versicherungsvermittler qualifiziert werden

Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) bestätigt, dass comparis.ch AG (Comparis) aufgrund der angebotenen Dienstleistungen als Versicherungsvermittler im Sinne von Art. 40 Abs. 1 VAG zu qualifizieren ist und sich somit im öffentlichen Register der FINMA für ungebundene Versicherungsvermittler eintragen lassen muss (Urteil B-5886/2023 vom 5. Juli 2024). Im September 2023 entscheidet die FINMA, dass Comparis ein Versicherungsvermittler im Sinne von Art. 40 VAG ist und weist sie an, sich in das Register der ungebundenen Versicherungsvermittler einzutragen. Comparis legte beim BVGer Beschwerde ein,[...]

E-Forex Vertrag

Die Bank muss die Verluste des Kunden nachweisen

Wenn die Bank die Positionen des Kunden auflöst und ein negativer Saldo entsteht, muss die Bank diese Verluste beweisen. Andernfalls beweist die Bank nicht, dass ihre Forderung gegen den Kunden besteht (Urteil 4A_301/2023 vom 16. Juli 2024). Im Jahr 2011 nutzte ein Kunde die Computerplattform einer Waadtländer Bank, um auf die Veränderung des USD/CHF-Kurses zu spekulieren. Am 15. Januar 2015 kündigt die SNB an, dass sie den CHF/EUR-Mindestkurs aufgibt. Dies löst Panik aus und macht den CHF/USD-Markt vorübergehend illiquide. Gemäss[...]

Vereinbarung über einen Vergleich

Analyse der Tragweite einer Vertraulichkeitsklausel

In einem kürzlich ergangenen Urteil 4A_26/2024 vom 11. Juni 2024 hatte das Bundesgericht über die Auslegung einer Vertraulichkeitsklausel zu entscheiden, die in einer Vergleichsvereinbarung zwischen einer Bank und einem Privatdetektiv enthalten war. Die Schlüsselfrage lautete konkret: Wollten die Parteien geheime Informationen im formellen oder materiellen Sinne schützen? 2019 ist ein im Bereich Ermittlungs- und Sicherheitsdienstleistungen tätiges Unternehmen in den "Fall Khan" verwickelt, bei dem bekannt wird, dass Herr Khan - ein ehemaliger leitender Angestellter der Credit Suisse - von Privatdetektiven[...]

Fristlose Entlassung

Verletzung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche in einer Bank

Das Bundesgericht bestätigt die fristlose Entlassung eines Angestellten, die aufgrund seiner leichtfertigen Anwendung der Anti-Geldwäscherei-Regeln der Bank ausgesprochen wurde (Urteil 4A_67/2023 vom 12. Juni 2024). Der Angestellte arbeitete seit Juli 2012 in der panamaischen Niederlassung einer Tessiner Bank. Er erhält zwei Verwarnungen, eine erste am 19. Juni 2015 nach einem Wutausbruch gegenüber einem Mitarbeiter der Abteilung Legal & Compliance und eine zweite am 24. Juli 2017 wegen seiner leichtfertigen Anwendung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei, insbesondere im Rahmen einer[...]

Retrozessionen und execution only Mandate

Wenn schon kein Urknall, so doch nützliche Klarstellungen

Das Bundesgericht hat sein Urteil (BG 4A_601/2021 vom 8. September 2022) in einem Fall gefällt, der von den Praktikern mit einer gewissen Spannung verfolgt wurde, ohne jedoch eine bundesgerichtliche Antwort auf die Frage zu geben, ob Retrozessionen, die im Rahmen eines Execution-Only-Verhältnisses erhalten werden, der Rückerstattungspflicht unterliegen (oder nicht). Die Spannung war groß, da das Bundesgericht die Gelegenheit hatte, sich zum ersten Mal, soweit wir wissen, mit dem Umfang der Rückerstattungspflicht von Retrozessionen im Falle eines Execution-Only-Verhältnisses zu befassen. In[...]

Zivilrechtliche Adhäsionsansprüche im Strafverfahren

Ausschluss von vertraglichen Ansprüchen und Unterbrechung der Verjährung

Der Spätsommer war geprägt von zwei zur Publikation bestimmten Urteilen des Bundesgerichts zu Zivilansprüchen durch Beitritt zum Strafverfahren (6B_1310/2021, zusammengefasst in Lawinside.ch/1231 und 4A_417/2021, kommentiert in Lawinside.ch/1232). Diese Rechtsprechungen sind von praktischer Bedeutung bei Bankstreitigkeiten, bei denen sich regelmässig die Frage stellt, welches Verfahren Kunden einleiten sollen, um ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegen eine Bank und deren Angestellte geltend zu machen. Der Strafrechtsgerichtshof entschied zunächst, dass der Begriff "Zivilklagen" in Art. 122 Abs. 1 StPO nur privatrechtliche Ansprüche umfasst, die sich[...]