Betrügerische Bankaufträge
Der Richter muss die gesamten Umstände prüfen

Romain Dupuis
(Übersetzt von DeepL)
Das Bundesgericht hat kürzlich ein neues Urteil in Bezug auf betrügerische Bankaufträge gefällt, in dem es einen kantonalen Entscheid aufhob, weil dieser sich nicht zu allen vom Kläger aufgeworfenen Fragen geäussert hatte (Urteil 4A_135/2023 vom 16. Oktober 2024).
Obwohl dieses Urteil vor allem zivilprozessuale Fragen betrifft, ist es dennoch ein nützlicher Hinweis auf den Umfang der Prüfung, die das Gericht bei betrügerischen Aufträgen vornehmen muss.
Im Jahr 2007 eröffnete der Kunde ein Konto bei einer Schweizer Bank und erteilte seinem Vater und seinem Bruder eine Vollmacht. Die Vertragsbeziehung ist von der Art „ execution only “. Der Kunde zahlt mehr als 17 Millionen Euro auf das Konto ein, von denen der weitaus größte Teil in vier Versicherungspolicen angelegt ist. Kurz nach Eröffnung der Bankbeziehung räumt der Kunde zudem einem Dritten ein Informationsrecht und Zugang zumE-Banking in Bezug auf sein Konto ein.
Zwischen Ende 2007 und 2008 wurden dem Konto mehrere Beträge in Höhe von insgesamt über 10 Millionen Euro belastet. Später stellte sich heraus, dass diese Abbuchungen auf gefälschten Dokumenten beruhten, insbesondere auf einem Lombardkreditvertrag mit Verpfändung von Versicherungspolicen und mehreren Überweisungsaufträgen mit der (falschen) Unterschrift des Kunden.
Als der Betrug aufflog, wandte sich der Kunde an die Bank und forderte vor den Tessiner Gerichten die Rückgabe der veruntreuten Beträge.
Nachdem der Tessiner Richter das Verfahren auf die Prüfung bestimmter Fragen gemäß Art. 125 Bst. a ZPO beschränkt hatte, erließ er eine Zwischenverfügung, in der er unter anderem feststellte, dass die Bank die Echtheit der ihr vorgelegten Aufträge nicht gemäß den zwischen den Parteien in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Bedingungen überprüft hatte, so dass sie sich einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht hatte. Der Richter war außerdem der Ansicht, dass der Kunde keine Kenntnis von den gefälschten Aufträgen hatte und diese nicht ratifiziert hatte.
Die Bank legte beim Kantonsgericht Berufung ein, das das erstinstanzliche Urteil aufhob und die Klage des Kunden in vollem Umfang abwies. Der Kunde legte daraufhin beim Bundesgericht Beschwerde ein.
Im Wesentlichen beklagt der Kunde eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, da das kantonale Berufungsgericht in der Sache endgültig entschieden und alle Anträge des Kunden abgewiesen habe, während der erste Richter eine auf bestimmte Fragen beschränkte Zwischenverfügung erlassen habe. In diesem Zusammenhang warf der Kunde dem Kantonsgericht vor, sich nicht zu anderen Fragen geäussert zu haben, die Gegenstand des Rechtsstreits waren, nämlich insbesondere zur Gültigkeit des Lombardkreditvertrags mit Verpfändung der Versicherungspolicen, der ebenfalls eine gefälschte Unterschrift trug. Der Kunde argumentierte, dass das kantonale Gericht im Rahmen seiner Analyse des Verschuldens der Bank bei der Ausführung der Überweisungsaufträge nicht auf diese Prüfung hätte verzichten können.
Nach einigen theoretischen Ausführungen zur Prüfungsbefugnis des Berufungsgerichts und der Pflicht zur Begründung seiner Entscheidungen stellt das Bundesgericht fest, dass das kantonale Gericht in seinen Erwägungen die Frage der Sorgfalt der Bank tatsächlich nur im Zusammenhang mit den betrügerischen Aufträgen geprüft hat, ohne sich zur Relevanz des gefälschten Lombardkreditvertrags im Rahmen dieser Analyse zu äussern. Wie das Bundesgericht feststellte, war diese Frage jedoch vom Kunden im Rahmen des Berufungsverfahrens aufgeworfen worden.
Der Argumentation des Kunden folgend, ist das Bundesgericht der Ansicht, dass die Umstände rund um den Abschluss des gefälschten Kreditvertrags für die Prüfung betrügerischer Bankaufträge relevant sein können (gemäss der inBGE 146 III 121 entwickelten und in zahlreichen nachfolgenden Urteilen übernommenen dreistufigen Methode), da die Ausführung bestimmter strittiger Transaktionen sowie der negative Kontostand mit der vom Kunden beanstandeten Kreditlinie in Zusammenhang stehen.
Aus diesem Grund ist das Bundesgericht der Ansicht, dass das kantonale Gericht den Anspruch des Kunden auf rechtliches Gehör verletzt hat, so dass die Sache zur erneuten Entscheidung an das Bundesgericht zurückverwiesen werden muss, gegebenenfalls mit anschliessender Rückweisung an den ersten Richter, falls der Sachverhalt Ergänzungen erfordert.
Zwei abschließende Bemerkungen :
- Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist es beruhigend festzustellen, dass das Bundesgericht von den kantonalen Gerichten erwartet, dass diese über die in erster Instanz und in der Berufung regelmässig erhobenen Rügen entscheiden. Auch wenn der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör laut Rechtsprechung „den Richter nicht verpflichtet, jedes beliebige Argument zu erörtern“, ist es offensichtlich, dass Fragen, die für den Ausgang des Rechtsstreits wichtig sind, nicht einfach ignoriert werden können.
- Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass sich das Bundesgericht in diesem Fall nicht zum Inhalt des Falls äußert. Es ist durchaus möglich – und wäre unserer Meinung nach auch nicht unlogisch -, dass das Kantonsgericht in seiner nächsten Entscheidung zu einer Lösung kommt, die mit derjenigen identisch ist, die dem Urteil, das Gegenstand dieses Kommentars ist, zugrunde lag. Vor seinem neuen Entscheid wird das kantonale Gericht jedoch – wie es die Rechtsprechung im Bereich der betrügerischen Aufträge verlangt (vgl. z.B. BGE 146 III 326, E. 6.3.2) – die gesamten Umstände, d.h. insbesondere den Abschluss der Kreditlinie, prüfen müssen, um erneut über ein allfälliges Verschulden der Bank entscheiden zu können.