Verwaltung von Vermögen
Ein Stiftungsrat mit „extremer Passivität“ ist zivilrechtlich haftbar

Célian Hirsch
(Übersetzt von DeepL)
Die Mitglieder eines Vorsorgestiftungsrats müssen die Anlagestrategie ausarbeiten sowie deren Umsetzung organisieren und überwachen. Andernfalls, insbesondere wenn sie ein Ermessensmandat ohne jegliche Anlagestrategie und ohne Überwachung des Verwalters abschließen, machen sich die Mitglieder zivilrechtlich haftbar (9C_496/2022, 9C_503/2022, 9C_504/2022, 9C_505/2022).
Eine Vorsorgestiftung zugunsten eines Freiburger Pflegeheims beschliesst, einen Vertrag über die Verwaltung mit Ermessensspielraum mit einer Vermögensverwaltungsgesellschaft abzuschliessen. Diese gehört dem Schwiegersohn des ehemaligen Heimleiters und wird von diesem geleitet. Die Vermögenswerte der Stiftung werden in Unterfonds eines Umbrella-Fonds investiert, den der Schwiegersohn auf den Britischen Jungferninseln eingerichtet hat. Dieser veruntreut schließlich die Vermögenswerte und die Stiftung hat einen Fehlbetrag von über CHF 57 Millionen.
Der Sicherheitsfonds im Sinne von Art. 56 ff BVG spricht der Stiftung aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit CHF 35 Millionen zu. Anschließend reicht er eine Teilklage auf Haftung gegen die zwölf Mitglieder des Stiftungsrats, die Revisionsstelle und den Experten für berufliche Vorsorge ein. Das Freiburger Kantonsgericht heisst die Klage gut und stellt eine solidarische Haftung aller Beklagten fest (608 2019 202). Diese rufen das Bundesgericht an und bestreiten insbesondere ihre Haftung.
Gemäss Art. 52 Abs. 1 BVG haften die mit der Verwaltung oder Geschäftsführung der Vorsorgeeinrichtung betrauten Personen und die Experten für berufliche Vorsorge für den Schaden, den sie dieser absichtlich oder fahrlässig zufügen. Wie die Organe einer juristischen Person (vgl. notabene Art. 717 OR) müssen auch die Organe einer Vorsorgeeinrichtung bei der Erfüllung ihres Mandats Sorgfalt und Treue walten lassen. Nachdem das Bundesgericht auf didaktische Weise die Tragweite der Sorgfalts- und Treuepflicht des Stiftungsrats einer Vorsorgestiftung in Erinnerung gerufen hat, legt es die besonderen Regeln derBVV 2 dar, insbesondere die Grundsätze der Sicherheit und der Risikoverteilung bei der Vermögensanlage. Zudem könne der Stiftungsrat zwar gewisse Aufgaben delegieren, die Ausarbeitung der Anlagestrategie sowie die Organisation und Überwachung der Umsetzung der Anlagestrategie seien jedoch unveräusserliche Aufgaben (vgl. neu Art. 51a Abs. 2 BVG).
Auch wenn sich die Mitglieder des Stiftungsrates im vorliegenden Fall auf ihren Status als „Milizionäre“ berufen, ist die zu erwartende Sorgfalt objektiv zu prüfen. Diese Mitglieder haben jedoch ihre Sorgfaltspflicht in schwerwiegender Weise verletzt. Sie haben keine Anlagestrategie ausgearbeitet und trotz der Regeln der BVV2 ohne jegliche Weisung ein Verwaltungsmandat abgeschlossen. Zudem wurden die Anlagen ohne staatliche Aufsicht im Ausland getätigt und stellten insbesondere aufgrund der hohen Konzentration bei einem einzigen Schuldner ein erhebliches Risiko dar. Zudem beaufsichtigten die Mitglieder des Stiftungsrats den Vermögensverwalter nicht ausreichend. Sie legten nämlich eine „extreme Passivität“ an den Tag, indem sie sich auf die vom Schwiegersohn übergebenen Dokumente verließen und die Zusammenarbeit mit der Vermögensverwaltungsgesellschaft fortsetzten, obwohl ihnen mitgeteilt worden war, dass 75 % des Stiftungsvermögens in Unterfonds auf den Britischen Jungferninseln investiert worden waren, ohne dass sie einen klaren Überblick über die Art der Anlagen hatten. In Bezug auf die Kausalität stellen die Verstöße des Schwiegersohns die Verfehlungen der Mitglieder nicht so weit in den Hintergrund, dass der Kausalzusammenhang unterbrochen wird. Daher seien die Mitglieder des Stiftungsrats für den Schaden der Stiftung verantwortlich.
Die Haftung der Revisionsstelle ist in Art. 755 OR geregelt, der nach Art. 52 Abs. 4 BVG analog anwendbar ist. Sie muss insbesondere prüfen, ob das Vermögen gemäss Art. 71 BVG und Art. 50 ff. BVV 2 verwaltet wird. Im vorliegenden Fall hat die Revisionsstelle die Investitionen in den Unterfonds des auf den Britischen Jungferninseln gegründeten Fonds nicht als alternative Anlage identifiziert. Ebenso wenig wies sie den Stiftungsrat rechtzeitig auf die Überschreitungen der Anlagegrenzen hin. Hätte die Revisionsstelle jedoch rechtzeitig eingegriffen, hätten die schliesslich verlorenen Investitionen gerettet werden können. Daher haftet er auch für diese „totale Passivität“.
Schliesslich muss der BVG-Experte unter anderem periodisch feststellen, ob die Vorsorgeeinrichtung jederzeit Sicherheit dafür bietet, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen kann (vgl. neu Art. 52e BVG). Der BVG-Experte ist jedoch nicht für die Vermögenswerte und die Vermögensanlage verantwortlich. Im vorliegenden Fall warf das Freiburger Kantonsgericht dem BVG-Experten vor, die Anlagestrategie und das Anlagekonzept nicht zufriedenstellend überprüft zu haben. Dies vorausgeschickt, riet der BVG-Experte den Stiftungsratsmitgliedern vom Abschluss eines diskretionären Verwaltungsmandats ab und machte sie auf die Notwendigkeit aufmerksam, mögliche zukünftige Anlagen zu überwachen. Hingegen sei es nicht seine Aufgabe gewesen, die Umsetzung der vom Stiftungsrat beschlossenen neuen Anlagestrategie zu überwachen oder die Verwaltung der Vermögenswerte der Vorsorgeeinrichtung zu kontrollieren.
Daher wies das Bundesgericht die Beschwerden der Mitglieder des Stiftungsrats und der Revisionsstelle ab, während es die Beschwerde des BVG-Experten guthieß.
Das Urteil erinnert an die Verantwortung, die den Mitgliedern des Stiftungsrats einer Vorsorgestiftung obliegt, selbst wenn sie nur Milizionäre sind. So müssen sie notwendigerweise eine Anlagestrategie festlegen und ihren Vermögensverwalter sorgfältig auswählen, anleiten und überwachen (vgl. ebd. Bechaalany Sarah/Gabellon Adrien, Die Verantwortung des Stiftungsrats gegenüber der Vorsorgeeinrichtung, GesKR 2020 S. 112). Wie in diesem Urteil betont wird, wäre der Stiftungsrat gut beraten, noch vorsichtiger zu sein, wenn die Delegation der Meinung des BVG-Experten zuwiderläuft. Zudem kann er sich nicht einfach auf die von der Revisionsstelle geleistete Arbeit verlassen, da diese auch versagen kann.