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Jurisprudence

Die Saga verzweigt sich

Verweigerung der Amtshilfe für Russland

In einem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil 2C_219/2022 vom 30. Januar 2025 lehnt das Bundesgericht (BGer) ein von Russland eingereichtes Amtshilfegesuch in Steuerangelegenheiten ab. Das Verfahren vor dem BGer war seit 2022 ausgesetzt. Russland hatte 2018 ein Amtshilfegesuch an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gerichtet, um die wirtschaftlichen Eigentümer von Dividenden zu ermitteln, die an zyprische Gesellschaften auf drei in der Schweiz eröffnete Bankkonten gezahlt wurden, und gegebenenfalls den Betrag der von einer der beteiligten Gesellschaften geschuldeten Quellensteuer neu zu berechnen. Die[...]

Automatisierte Einzelentscheidung

Das Bonitätsprüfungsunternehmen muss seinen Algorithmus nicht offenlegen, aber erläutern

Das Credit Scoring Unternehmen muss der betroffenen Person das Verfahren und die konkret angewandten Grundsätze zur Erstellung ihres Bonitätsprofils erläutern. Darüber hinaus steht das Geschäftsgeheimnis des Unternehmens der Weitergabe von Informationen an die Behörde oder das Gericht nicht entgegen, die eine Interessenabwägung vornehmen muss (Urteil des EuGH vom 27. Februar 2025 in der Rechtssache C-203/22). Ein Mobilfunkanbieter verweigert einem österreichischen Staatsangehörigen (CK) den Abschluss eines Mobilfunkvertrags, der eine monatliche Zahlung von 10,- EUR beinhaltet hätte. Diese Ablehnung wird mit einer[...]

Betrügerische Bankaufträge

Kann der Fehler der Stiftung wirklich alles unterbrechen ?

Eine Kundin, die die Belastungsanzeige eines betrügerischen Auftrags erhält, begeht ein Verschulden, wenn sie diese nicht anficht. Dieses Verschulden unterbricht die Kausalität zwischen dem groben Verschulden der Bank und dem Schaden (4A_610/2023). Eine liechtensteinische Stiftung verwaltet das Vermögen eines Fürsten. Ihr Sitz befindet sich bei einer Anwaltskanzlei in Liechtenstein. Ein Anwalt dieser Kanzlei ist Mitglied des Stiftungsrats und gemeinsam mit dem Fürsten kollektiv zu zweien zeichnungsberechtigt. Die Stiftung eröffnet ein Konto bei einer Genfer Bank. Sie vereinbaren, dass die Kontoauszüge[...]

Kreditvertrag

Keine Veruntreuung, wenn die Zweckbestimmung der Vermögenswerte nicht ausreichend definiert ist.

Ein Kreditnehmer, der die geliehenen Gelder für einen anderen als den vertraglich festgelegten Zweck verwendet, kann ausnahmsweise der Veruntreuung schuldig gesprochen werden (Art. 138 Ziff. 1 StGB). Voraussetzung dafür ist allerdings noch, dass die Zweckbestimmung der verliehenen Vermögenswerte im Vertrag klar definiert ist, was im Urteil 6B_240/2024 vom 9. Januar 2025 nicht der Fall war. Auf der Grundlage eines „ Loan Agreements “ leiht eine Gesellschaft einer anderen Gesellschaft USD 300'000. Die Parteien sehen im Vertrag nicht ausdrücklich vor, dass[...]

Umsatzabgabe

Eine Steuer konfrontiert mit ihrem ursprünglichen Zweck

In einem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil befreit das Bundesgericht entgegen der Auffassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung eine Holdinggesellschaft von der Umsatzabgabe (i) im Fall einer konzerninternen Übertragung von Beteiligungen, welche die im DBG festgelegten Bedingungen für Umstrukturierungen nicht erfüllen, sowie (ii) nach der unentgeltlichen Gewährung von Beteiligungen an Mitarbeiter (9C_168/2023, 9C_176/2023 vom 25. November 2024). Der Fall betrifft eine holdingähnliche Gesellschaft, die zwei Transaktionen durchführt, welche die Eidgenössische Steuerverwaltung („ESTV“) als der Umsatzabgabe („UID“) unterliegend betrachtet. Die Holdinggesellschaft qualifiziert sich nämlich[...]

Zwangsvollstreckung und internationale Sanktionen

Laut Obergericht Zürich hat das Einfrieren von Vermögenswerten nach dem EmbG Vorrang vor dem SchKG.

In einem Urteil PS240181 vom 14. November 2024 hält dasObergericht Zürich fest, dass Art. 44 SchKG trotz der fehlenden Erwähnung des EmbG in Art. 44 SchKG analog auf Massnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten anwendbar ist, die nach dem Embargogesetz (EmbG) und seinen Ausführungsverordnungen ergriffen werden. Daraus folgt, dass eine Verwertung nach dem SchKG nicht möglich ist, solange die Vermögenswerte eingefroren sind. Am 6. Juni 2023 erwirkt eine Gläubigerin mit einem vollstreckbaren Urteil des Bezirksgerichts Luxemburg in Zürich einen Arrest gegen[...]

Event-Werbung

Die Verurteilung des CEO muss angekündigt werden

Nach einer Fusion kann das übernehmende Unternehmen von der SIX für einen Verstoss verurteilt werden, den das übertragende Unternehmen begangen hat. Zudem muss die Verurteilung des CEO gemeldet werden, auch wenn es sich um Handlungen handelt, die in einem anderen Unternehmen begangen wurden ((endgültiger) Schiedsspruch des Schiedsgerichts der SIX vom 26. August 2024). Ein Delegierter des Verwaltungsrats und CEO einer an der SIX kotierten Gesellschaft wird wegen gewerbsmässigen Betrugs und ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt, die er in einem anderen Unternehmen begangen[...]

Betrügerische Bankaufträge

Der Richter muss die gesamten Umstände prüfen

Das Bundesgericht hat kürzlich ein neues Urteil in Bezug auf betrügerische Bankaufträge gefällt, in dem es einen kantonalen Entscheid aufhob, weil dieser sich nicht zu allen vom Kläger aufgeworfenen Fragen geäussert hatte (Urteil 4A_135/2023 vom 16. Oktober 2024). Obwohl dieses Urteil vor allem zivilprozessuale Fragen betrifft, ist es dennoch ein nützlicher Hinweis auf den Umfang der Prüfung, die das Gericht bei betrügerischen Aufträgen vornehmen muss. Im Jahr 2007 eröffnete der Kunde ein Konto bei einer Schweizer Bank und erteilte seinem[...]

Siegelung

Geschäfts- und Bankgeheimnis reichen nicht (mehr) aus

In unserem letzten Kommentar zu einem Urteil des Bundesgerichts in Sachen Versiegelung (7B_313/2024, zur Veröffentlichung bestimmt) wiesen wir darauf hin, dass „das Bankgeheimnis keinen Grund mehr für eine Versiegelung darstellt, wenn es von einem Dritten geltend gemacht wird, d. h. einer Person, die im Strafverfahren nicht benachrichtigt wurde“ (Villard, cdbf.ch/1383). Nach dem zur Veröffentlichung bestimmten und hier besprochenen Urteil 7B_976/2024 muss der zweite Teil der Aussage gestrichen werden: Das Bankgeheimnis ist kein Versiegelungsgrund mehr. Das Urteil 7B_976/2024 hatte zwar nicht[...]

Betrügerische Bankaufträge

Der unaufmerksame Anwalt ist verantwortlich

Ein Anwalt für Bankrecht, der mit seinem Mandanten vereinbart, dass er an seiner Stelle die Bankkorrespondenz entgegennimmt, sollte die Ungewöhnlichkeit der betrügerischen Aufträge erkennen. Andernfalls kann er vertraglich haftbar gemacht werden und muss den Mandanten entschädigen (4A_269/2024). Ein auf Bankrecht spezialisierter Genfer Anwalt gründet für einen französischen Geschäftsmann eine panamaische Gesellschaft und kümmert sich um deren Verwaltung. Die Gesellschaft eröffnet ein Bankkonto in Genf. Der Vertrag sieht vor, dass die Korrespondenz an den Anwalt und den externen Geschäftsführer, nicht aber[...]

Grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen

Zuständigkeit des französischen Gerichts ungeachtet einer Gerichtsstandsklausel

Am 18. September 2024 erließ die erste Zivilkammer der französischen Cour de Cassation ein Urteil Nr. 23-13.732, das sich mit dem Begriff derauf einen Mitgliedstaat gerichteten Tätigkeit im Sinne vonArt. 17 Abs. 1 Buchst. c der Brüssel-Ia-Verordnung (Brüssel-Ia-VO ) im Zusammenhang mit Bankdienstleistungen befasst, die eine libanesische Bank für eine in Frankreich ansässige Kundin erbracht hat. Diese Entscheidung bestätigt, dass Kunden mit Sitz in der EU, die den Status eines „Verbrauchers“ genießen, die Gerichte ihres Wohnsitzes anrufen können, wenn die[...]

Siegelung

Das Bankgeheimnis reicht nicht mehr aus

Seit der Revision der Strafprozessordnung, die am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, stellt das Bankgeheimnis keinen Grund mehr für eine Versiegelung dar, wenn es von einem Dritten, d. h. einer Person, die im Strafverfahren nicht benachrichtigt wurde, geltend gemacht wird. Dies entschied das Bundesgericht in einem Urteil 7B_313/2024 vom 24. September 2024, das zur Veröffentlichung bestimmt ist. Die Bundesanwaltschaft führt ein Strafverfahren wegen Betrugs und Geldwäscherei gegen verschiedene natürliche Personen. In diesem Rahmen richtet sie am 12. April[...]

Sanktionen

Der Weg zum klaren Fall ist versperrt, um eine Zahlung zu entsperren

Mit Urteil 4A_394/2024 vom 18. September 2024 bestätigt das Bundesgericht die Unzulässigkeit eines klaren Antrags auf Belastung des Kontos eines Kunden, gegen den Sanktionen verhängt wurden, um die Honorare seines Anwalts zu bezahlen. Ein Kunde besitzt mehrere Bankkonten in der Schweiz, unter anderem bei einer Bank, deren Konzern auch in Europa und im Vereinigten Königreich tätig ist. Der Kunde ist Gegenstand von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine und seine Vermögenswerte wurden von der Schweiz, dem Vereinigten[...]

Verwaltung von Vermögen

Ein Stiftungsrat mit „extremer Passivität“ ist zivilrechtlich haftbar

Die Mitglieder eines Vorsorgestiftungsrats müssen die Anlagestrategie ausarbeiten sowie deren Umsetzung organisieren und überwachen. Andernfalls, insbesondere wenn sie ein Ermessensmandat ohne jegliche Anlagestrategie und ohne Überwachung des Verwalters abschließen, machen sich die Mitglieder zivilrechtlich haftbar (9C_496/2022, 9C_503/2022, 9C_504/2022, 9C_505/2022). Eine Vorsorgestiftung zugunsten eines Freiburger Pflegeheims beschliesst, einen Vertrag über die Verwaltung mit Ermessensspielraum mit einer Vermögensverwaltungsgesellschaft abzuschliessen. Diese gehört dem Schwiegersohn des ehemaligen Heimleiters und wird von diesem geleitet. Die Vermögenswerte der Stiftung werden in Unterfonds eines Umbrella-Fonds investiert, den[...]

Indirektes Naming und Shaming

Bundesgericht bestätigt die Mitteilung der FINMA

Die FINMA darf eine Pressemitteilung über den Abschluss eines Enforcementverfahrens gegen eine namentlich genannte beaufsichtigte Person veröffentlichen, insbesondere um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie gegenüber Verletzungen des Finanzmarktrechts nicht untätig ist (2C_682/2023 zur Veröffentlichung bestimmt). Die FINMA schliesst ein Enforcementverfahren gegen eine Bank ab, die die Geldwäschereivorschriften schwerwiegend verletzt hat. Einige Wochen später informierte die Aufsichtsbehörde die Bank über ihre Absicht, sechs Tage später eine Pressemitteilung zu diesem Verfahren zu veröffentlichen. In dem Entwurf der Pressemitteilung wird die Bank[...]

Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs

Ein Zinssatz von 24 % verstößt nicht gegen den schweizerischen Ordre public.

Im Urteil 4A_57/2024 hält das Bundesgericht fest, dass ein Schiedsspruch, der den Schuldner eines nicht zurückgezahlten Darlehens zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 24% anweist, nicht gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz im Sinne von Art. V Ziff. 2 lit. b des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (CNY). Zwei chinesische Unternehmen hatten einen Darlehensvertrag mit einer Laufzeit von zwei Monaten und einem Zinssatz von 8% pro Jahr abgeschlossen. Dieser Zinssatz sollte auf 15 %[...]

Unternehmensverantwortung

Die Rechtsnachfolge in Strafsachen

Die Frage war von der Lehre schon lange gestellt worden: Was geschieht mit einer Strafverfolgung, die sich gegen ein Unternehmen richtet, wenn das Unternehmen auf die eine oder andere Weise untergeht? Der Appellationshof des Bundesstrafgerichts befasste sich in einer Entscheidung vom 19. August 2024 (NR.2024.18) mit dieser Problematik. Er entschied, dass die Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes - also eine Absorptionsfusion im Sinne vonArt. 3 Abs. 1 Bst. a FusG - nicht zum Erlöschen der gegen das erste Unternehmen[...]

Retrozessionen und execution only

Umfang der Informationen für einen vorzeitigen Verzicht

Im Urteil ACJC/1002/2024 vom 19. August 2024 vertritt der Genfer Gerichtshof die Auffassung, dass die in der Lehre umstrittene und in divergierenden kantonalen Entscheidungen behandelte Frage der Pflicht zur Rückerstattung von Retrozessionen in einem execution only-Verhältnis aufgrund eines gültigen Verzichts des Kunden unentschieden bleiben kann. Ab 2008 sind ein Kunde und eine Genfer Bank durch einen Vertrag über eine einfache Bankeinlage (execution only) miteinander verbunden. Die Bank ändert während des Vertragsverhältnisses mehrmals ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Seit 2009 sehen diese insbesondere[...]

Fristlose Entlassung

Ein Bankdirektor versucht, sein Team abzuwerben

Das Bundesgericht validiert die fristlose Entlassung eines Direktors einer Tessiner Bank, die ursprünglich aufgrund eines bloßen Verdachts ausgesprochen wurde, und stützt sich dabei auf den Formalismus der Verfahrensregeln (Urteil 4A_399/2022 vom 3. Juni 2024). Der Arbeitnehmer arbeitet seit Juni 2008 als Investment Manager der Niederlassung einer Bank in Lugano und ab Juni 2013 als deren Leiter. Zu diesem Zeitpunkt vereinbaren die Parteien unter anderem ein Gehalt von CHF 400'000 pro Jahr mit einer Mindestanstellungsdauer bis zum 30. Juni 2016 und[...]

Interne Untersuchungen

Die asymmetrischen Konturen des Anwaltsgeheimnisses

Die Urteile des Bundesgerichts 7B_158/2023 und 7B_874/2023 vom 6. August 2024 wurden in der gleichen Sache von der 2. strafrechtliche Abteilung im Zusammenhang mit einem Siegelverfahren gefällt. Das erste, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil scheint uns im Gegensatz zum zweiten überzeugend. Ausnahmsweise - und das ist wichtig - wurde das Strafverfahren nicht wegen Geldwäscherei, sondern wegen Verstosses gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eröffnet. Kurz gesagt verdächtigt die Zürcher Staatsanwaltschaft eine Person, von der man versteht, dass sie ein Mitarbeiter[...]